Interview mit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet „Kandidat können viele werden“

Düsseldorf · NRW-Ministerpräsident Armin Laschet zählt zu jenen, die genannt werden, wenn es um die Kanzlerkandidatur der Union 2021 geht. Er selbst sagt im Interview, dass die Frage nicht zur Beantwortung ansteht. Außerdem spricht er über Kommunalpolitiker und Kohle.

 Für ein freiwilliges Jahr spricht sich Armin Laschet aus.

Für ein freiwilliges Jahr spricht sich Armin Laschet aus.

Foto: picture alliance/dpa/Michael Kappeler

Der Kohleausstieg ist beschlossen, es fehlt aber noch das Gesetz zur Umsetzung. Müssen Sie fürchten, dass zugesagte Strukturhilfen für die Länder nicht fließen, weil die Bundesregierung zu langsam ist?

Armin Laschet: Ich dränge darauf, dass das Bundeskabinett noch im Dezember den Kohleausstieg verbindlich beschließt. Es ist schon viel Zeit ins Land gegangen und das Ausstiegsgesetz muss erst noch durch das Parlament. Erst dann können die Strukturmittel fließen.

Welche Konsequenzen wird es für Nordrhein-Westfalen haben, wenn das Gesetz nicht rasch kommt?

Laschet: Wir brauchen Klarheit für die Menschen und die Wirtschaft in der Region und einen verbindlichen Pfad für diesen großen Umbau unserer Energiewirtschaft. Das hilft sowohl der Lausitz als auch dem Rheinischen Revier. Die Einigung der sogenannten Kohle-Kommission ist bald ein Jahr her. Das war eine beinah historische Verständigung aller Beteiligten, von Umweltverbänden, Gewerkschaften bis hin zur Industrie. Wir brauchen jetzt die Verlässlichkeit und Verbindlichkeit eines Gesetzes. Die Bundesregierung muss jetzt Tempo machen und zum Abschluss kommen.

Wenn Sie so auf den Kohleausstieg drängen, warum soll dann jetzt mit dem neuen Steinkohlekraftwerk „Datteln 4“ in NRW noch ein neues Werk ans Netz gehen?

Laschet: Für mich ist die einzig relevante Frage bei Datteln 4, wie wir den CO2-Ausstoß reduzieren. Die Inbetriebnahme von Datteln 4 wird zur Reduktion der CO2-Emissionen führen, weil stattdessen andere, viel weniger effiziente alte Kraftwerke abgeschaltet werden können. Es ist wünschenswert, dass der Hambacher Forst gerettet wird. Aber das reduziert ja nicht die CO2-Emissionen. Das große Thema, für das die jungen Leute auf die Straße gehen, sind der Klimawandel und die deutschen Beiträge zur CO2-Reduktion. Alle Genehmigungen für Datteln 4 liegen seit Jahren vor. Ich werde den Bund nicht drängen, die Betreiber mit 1,5 Milliarden Euro zu entschädigen, damit eines der modernsten Steinkohlekraftwerke der Welt nicht ans Netz geht und alte und sehr viel umweltschädlichere Braunkohlekraftwerke dann länger laufen. Das wäre völlig widersinnig.

2020 sind Kommunalwahlen in NRW. Immer mehr Kommunalpolitiker werden beschimpft und bedroht. Manche geben auf. Sehen Sie die Wahlen dadurch belastet?

Laschet: Das ist ein bedrückender Trend. Die Bedrohung ehrenamtlicher Ratsmitglieder und von Bürgermeistern hat eine neue Qualität erreicht. Jede einzelne Bedrohung von Kommunalpolitikern ist ein Angriff auf unsere Demokratie. Wenn jemand aus Angst vor Hass und Gewalt aufgibt, dann geht das an die Substanz der Demokratie.

Was tut die Landesregierung, um Kommunalpolitiker zu schützen?

Laschet: Der Hass im Netz ist ein generelles Problem. Wir brauchen eine andere Umgangskultur. Und wir müssen das Strafrecht in vollem Umfang nutzen. Da darf es keine Toleranz geben.

Wie stehen Sie zu dem Vorstoß der CDU-Vorsitzenden, dass die Partei über die Forderung nach Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht beraten soll. Am Donnerstag soll es ein Werkstattgespräch geben.

Laschet: Ich glaube, dass die Anregung von Annegret Kramp-Karrenbauer für mehr Dienst und soziales Engagement wichtig ist.  Ich finde es auch gut, zu einem solchen Thema ein Werkstattgespräch zu machen und unterschiedliche Meinungen zu betrachten. Ich habe generell meine Zweifel, ob es klug ist, 18-Jährige zwangszuverpflichten, etwas Soziales zu tun. Da gibt es auch verfassungsrechtlich hohe Hürden. Ich teile die zurückhaltende Bewertung des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier.

Also sind Sie für das freiwillige Jahr?

Laschet: Ja. Mehr Freiwilligkeit, mehr Anerkennung, mehr Dienste für die Allgemeinheit. Wir müssen den sozialen Dienst und die Bundeswehr so attraktiv machen, dass die jungen Menschen gerne und freiwillig kommen. Keiner erfüllt seine Aufgaben gerne, wenn er dazu gezwungen wird. Denken Sie etwa nur an einen Pfleger, der sich um alte und kranke Menschen kümmern soll. Der Eingriff in die Freiheit junger Männer war bei der Wehrpflicht begründet mit dem höheren Gut der Landesverteidigung. Das wurde 2011 als nicht mehr erforderlich erachtet, auch weil Ungerechtigkeiten bei der Einberufung entstanden waren. Mit einem Dienstpflichtjahr könnte es neue Ungerechtigkeiten geben.

Was muss die CDU tun, um in der Akzeptanz der Bevölkerung und in den Umfragen wieder zuzulegen?

Laschet: Einfach gute Arbeit leisten und verlässlich sein. Wir stehen vor großen und wichtigen Aufgaben. Die müssen wir sachlich und gründlich abarbeiten: Die Energiewende ist so eine gigantische Frage. Dazu kommt die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020. Und wir müssen aufpassen, dass die deutsche Automobilindustrie, die immer stark war, weiterhin eine wichtige Rolle spielt. Sie ist nicht irgendeine Industrie, sie stützt unsere Volkswirtschaft.

Wie wären neben Prämien für E-Autos solche fürs Bahnfahren, Ermäßigungen auf Bahncards?

Laschet: Wir senken schon die Mehrwertsteuer für Bahntickets.

Nicht für den Nahverkehr. Zudem sind Pendlerzüge so voll, dass viele Menschen stehen müssen, auch weil die modernisierten Waggons Tischchen haben, so dass sich große Menschen die Knie stoßen.

Laschet: Wir haben in der Tat viele Versäumnisse, was unsere Infrastruktur angeht, gerade auch die Bahn. Das ist ein dickes Brett, das da nun gebohrt wird. Ich halte den Weg für richtig, den Fernverkehr attraktiver zu machen, die Bahn zu stärken. Die Bahn muss schnelle Trassen haben. Dann steigen auch mehr Menschen um. Von Köln nach Frankfurt fliegt niemand mehr, weil man in rund 50 Minuten mit der Bahn sein Ziel erreicht.

Sehen Sie Parteichefin Kramp-Karrenbauer nach dem CDU-Parteitag in Leipzig gestärkt?

Laschet: Sie war auch vorher schon stark. Wir alle wollen den Erfolg der Parteivorsitzenden und der Union.

Hätten Sie als Parteivorsitzender wie Annegret Kramp-Karrenbauer die Vertrauensfrage gestellt?

Laschet: Sie hat sich so entschieden. Aber das Vertrauen des Parteitags in sie war auch vorher da.

Wie hat Ihnen denn der Auftritt von CSU-Chef Markus Söder gefallen?

Laschet: Sehr gut.

Warum?

Laschet: Er hat wichtige Themen angesprochen, aber man konnte auch lachen. Das gefällt mir immer gut bei ihm. Und für jeden ist jetzt sichtbar: Alle Differenzen zwischen CDU und CSU sind ausgeräumt. Das war 2018 nicht so.

Könnte er Kanzlerkandidat der Union werden?

Laschet: Kanzlerkandidat können viele werden.

Wollen Sie gern Kanzlerkandidat werden?

Laschet: Die Frage steht nicht an.

Aber zu den „vielen“ Namen gehört ja auch der Name Laschet.

Laschet: Ich lese auch Zeitung.

Wann werden Sie sich entscheiden?

Laschet: Die Vorsitzende hat den Weg aufgezeigt und den werden wir gehen. Die Frage werden wir Ende 2020 entscheiden.

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