70 Jahre Nordrhein-Westfalen Lippe kämpfte trotzig gegen die feindliche Übernahme

Detmold · NRW wird 70. Das ganze Land feiert in diesem Jahr Geburtstag? Nein, nicht das ganze. Der kleinste Landesteil Lippe sträubte sich gegen die feindliche Übernahme.

Der kleinste Landesteil Lippe am östlichen Rand ist erst 69 Jahre dabei. Nach dem Zweiten Weltkrieg sträubten sich die Lipper wie die Bewohner des gallischen Dorfs bei Asterix und Obelix gegen die feindliche Übernahme. Sie kämpften aber nicht mit Fäusten, sondern mit Worten am Verhandlungstisch und entschieden erst 1947: Wir wollen uns nicht den Niedersachsen unterwerfen, wir schließen uns Nordrhein-Westfalen an.

Es waren die Zugeständnisse der Rheinländer und Westfalen, die den Ausschlag gaben für den damaligen Ministerpräsidenten des Freistaates, Heinrich Drake. "In den Lippischen Punktationen ist die Einigung festgeschrieben", erzählt Stephan Prinz zur Lippe. "Das war der Startschuss für eine erfolgreiche Nachkriegsgeschichte." Zur Lippe ist als Nachfahre des letzten noch regierenden Fürsten Hausherr im Detmolder Schloss. Der Großgrundbesitzer arbeitet als Anwalt.

Die Lipper schauen auf eine fast 900-jährige Geschichte als Grafschaft, Fürstentum oder Freistaat zurück. Vor der Eingliederung in das gerade gegründete NRW wurde vereinbart: Das lippische Vermögen bleibt unangetastet und auch die Kultureinrichtungen bleiben erhalten. "Das wäre mit den Niedersachsen nicht gegangen", sagt zur Lippe. Die Lipper seien es gewohnt gewesen, eigenständig zu sein. Da war es gut, dass Detmold Sitz der Bezirksregierung wurde - und nicht etwa eine außerhalb des ehemaligen Freistaates gelegene Stadt. Das wäre dem Bedürfnis nach Selbstverwaltung nicht gerecht geworden, sagt zur Lippe.

Von den Zugeständnissen profiert das einst bettelarme Lippe noch heute. Mit der Musikhochschule, dem Landestheater, dem Landesverband Lippe, der Bezirksregierung und dem Landgericht Detmold hat die Region wichtige Anziehungspunkte für Künstler, Juristen und Verwaltungsexperten. Das sorgt für Austausch von und nach Lippe.

"Ich kenne keinen Lipper mehr, der nicht zugezogen ist", sagt Daniel Wahren, Musiker und Touristenführer in Detmold. Allein die 1000 Musikstudenten aus der ganzen Welt würden einen großen Wandel in der Bevölkerung mit sich bringen.

Und der kleinste Landesteil hat prominente Söhne: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und der Vorsitzende des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, Andreas Voßkuhle, kamen in Detmold zur Welt. Im Interview mit der "Neuen Westfälischen" bestritt der oberste deutsche Verfassungshüter Ende Juni aber, ein echter Lipper zu sein. "Ein richtiger Lipper hat - wie ich mir habe sagen lassen -, mindestens zwei Ziegler in seiner Familie, die hier ansässig waren. Damit kann ich leider nicht aufwarten." Die Lippischen Ziegler zogen als saisonale Wanderarbeiter über Jahrhunderte durch Europa, um ihre Familien daheim zu ernähren.

Die Lipper gelten als geizig und betonen gerne, dass sie sich oft vernachlässigt fühlen. Klischees, die dazu gehören, aber längst nicht mehr passen. Touristenführer Wahren sagt: "Die letzten großen Hungersnöte in Deutschland gab es in Lippe. Die Leute hatten einfach nix. Daraus sind diese Mythen entstanden."

Eine weitere Zuschreibung: die Sturheit der Lipper. In dieser Hinsicht seien sie sich aber immerhin mit den Westfalen ähnlich. "Hier sind wir wohl verwandt", sagt Wahren. Mit Blick auf die Rheinländer betont er aber vor allem die Unterschiede: "Mit dem Karneval kann hier keiner etwas anfangen, das geht an uns vorbei."

Im alten Lippe gibt es dafür anderes, was Touristen lockt: Das Hermannsdenkmal am Rande des Teutoburger Waldes ist eines der Top-Touristenziele in NRW. "Die Menschen fahren nach einem Besuch mit einem anderen Verständnis nach Hause", sagt Stephan Prinz zur Lippe. Die Region sei ein wunderbares Gegenstück zur Industriekultur im Ruhrgebiet. "Lippe trägt zum Gesamtkunstwerk NRW bei und ist nicht nur ein Anhängsel."

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