Parteitag in Essen Machtkampf in der AfD beendet

ESSEN · Dass es für Bernd Lucke nicht gut laufen würde, dafür gab es früh Anzeichen an diesem Parteitag der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) in Essen. Auf dem Programm stand nichts anderes, als den quälenden Streit zwischen den beiden Flügeln beizulegen.

 Das neu gewählte Führungsduo der AfD, Frauke Petry und Jörg Meuthen (links), lässt sich feiern.

Das neu gewählte Führungsduo der AfD, Frauke Petry und Jörg Meuthen (links), lässt sich feiern.

Foto: dpa

Alle wussten, dass es auf einen Showdown zwischen Parteigründer Bernd Lucke, dem Professor aus Hamburg, und Frauke Petry, der Unternehmerin aus Sachsen, hinauslaufen würde. Und alle fieberten darauf hin.

Ganz am Anfang sollten die beiden Parteichefs eine Eröffnung machen. Lucke fing an und setzte irgendwann zu einem Lob auf zwei Kollegen aus dem völlig zerstrittenen Vorstand an. Besonders vorbildlich hätten die Vorstände Verena Brüdigam und Gustav Greve gearbeitet. In diesem Augenblick wendet sich Petry ihrem Platznachbarn und Co-Sprecher Konrad Adam zu, ebenfalls erklärter Lucke-Gegner, und frohlockt: "Und ich werde gleich alle Mitglieder des Vorstandes für die vorbildliche Arbeit loben."

Es war wie beim Fußball. Lucke hatte die Vorlage gegeben, seine Gegnerin musste nur noch verwandeln. Das war ihr ein Leichtes: Sie richtete einen Appell an alle zur Geschlossenheit, die Attacken auf die Partei von außen seien ohnehin groß. Und dann kam es: "Diese Angriffe fallen unseren Gegnern umso leichter, wenn man zusätzlich internen Auseinandersetzungen ausgesetzt ist." Der Saal jubelt. Sie schiebt noch hinterher: "Heute geht es nicht ums Ich, sondern ums Wir."

Klar, Lucke hat es ihr leicht gemacht, diesen Punkt zu machen. Die Vorlage passte ganz in ihre Strategie: Lucke steht da als Ausgrenzer, sie als die Integrierende. Sie könne im Übrigen auch keinen Rechtsruck in der Partei beobachten. Das ist der nächste Treffer, den sie landet, mit dem sie die Reihen schließt und sich viele Stimmen sichert für die Abstimmung später.

Zu den kuriosen Zügen des parteiinternen Dramas gehört, dass Petry und Lucke zwar persönlich verfeindet sind, inhaltlich aber gar nicht so weit auseinander liegen. Beide sind liberal-konservativ. Was die beiden unterscheidet, ist, dass Petry keine Berührungsängste zum rechten Rand hat, vielmehr bereit ist, sich die Unterstützung der national-konservativen Kräfte der AfD zu sichern, der Islamkritiker und der verbitterten Zuwanderungsgegner.

Schnell ist klar, wie die Sympathien im Saal verteilt sind: Petry erntet Begeisterungsstürme, Lucke Buhrufe. Später dann, als Lucke und Petry ihre Bewerbungsreden halten, wird deutlich, dass Abgründe sie trennen. Da mahnt Petry vom neu zu wählenden Vorstand, den sie leiten will, künftig "Professionalisierung und politisches Rückgrat" an, und allen im Saal ist klar, dass sie diese Attribute Lucke damit abspricht. Sie stellt fest, auf Bundesebene sei "zu wenig strategisch gearbeitet worden". Jeder weiß, dass ihr Betätigungsfeld Sachsen ist und Luckes die Bundesebene. Und auf dessen offenkundige Schwäche abzielend, zu wenig das Herz der Mitglieder erreichen zu können, sagt sie: "Ich bin nicht der Meinung, dass man den menschlichen Aspekt von der Politik abkoppeln kann."

Dann ist Lucke dran. Er kämpft, wirft noch einmal alles das in die Waagschale, was aus seiner Sicht für ihn an der Spitze spricht. Zum Beispiel, dass er es häufig besser weiß als die anderen Mitglieder der Partei, ja dass er es auch besser weiß als die anderen Vorstände und er sich nicht scheut, diese auch öffentlich zu belehren.

Da war etwa Konrad Adam in seinem Beitrag gegen "die Berufspolitiker" zu Felde gezogen. Und bekam von Lucke postwendend die Lektion erteilt: "Herr Adam, so weit ich weiß, haben Sie doch auch für den Bundestag kandidiert." Ob er denn bei seinem Einzug dann nicht den Beruf eines Abgeordneten ausgeübt hätte. An Petry arbeitet er sich allerdings nur in Andeutungen ab. "Kennen wir nicht alle die Frau, die ungeniert täuscht und betrügt, wenn sie sich nur etwas davon verspricht?" Sie stehe ganz oben auf seiner persönlichen Abschussliste. Alle im Saal meinen, dass er Petry meint. Dann biegt er aber doch ab und münzt die Angriffe auf Angela Merkel.

Um 18.13 Uhr verkündet der Chef der Zählkommission, von Beruf Pferde-Hypnotiseur, das Ergebnis: 2047 Mitglieder haben für Petry gestimmt, mehr als 60 Prozent. Der Verlierer des Tages, Lucke, gratuliert als Erster, setzt sich mit versteinerter Miene. Adam gibt ihr einen Kuss, der Brandenburger Ex-Publizist Alexander Gauland einen Handkuss. Petry dankt Lucke: "Lieber Bernd, du bist und bleibst die Galionsfigur der Gründerzeit. Ich hoffe, du bleibst der AfD treu verbunden." Lucke steht auf nimmt wie ein geprügelter Hund den Applaus seiner Anhänger entgegen.

Dann macht Petry deutlich, was sie will: So etwas wie den "Weckruf", also Luckes Verein in der Partei, dürfe es nicht mehr geben. Als sie dies sagt, packt Lucke sein Laptop zusammen und räumt den Platz auf der Bühne, noch bevor Petry fertig ist. Damit ist klar, dass die AfD ohne ihren Gründer weitermachen muss.

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