Landtagswahlen Malu Dreyer gegen Julia Klöckner

Rheinland-Pfalz · Die Tagesordnung des Landesparteitags ist übersichtlich: Der Landesvorsitzende spricht, die Ministerpräsidentin natürlich auch, das Wahlprogramm wird vorgestellt, es soll eine Aussprache dazu geben und dann wird es beschlossen.

 Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD, r), und die CDU-Oppositionsführerin Julia Klöckner streiten um die Teilnahme der AfD an der TV-Debatte.

Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD, r), und die CDU-Oppositionsführerin Julia Klöckner streiten um die Teilnahme der AfD an der TV-Debatte.

Foto: dpa

Was nur zwischen den Zeilen steht, ist an diesem Tag wahrscheinlich noch viel wichtiger: das Sich-In-Wahlkampf-Stimmung-Bringen. Genau 50 Tage vor der Landtagswahl am 13. März will sich die rheinland-pfälzische SPD an diesem Samstag bei einem Landesparteitag in Mainz Mut machen, dass sie es doch noch packt – also stärkste Partei zu bleiben, Ministerpräsidentin Malu Dreyer wieder in die Staatskanzlei zu schicken und das rot-grüne Bündnis zu erhalten. Für alle drei Wahlziele sieht es allerdings – 25 Jahre nach Beginn der SPD-Ära an Rhein, Mosel, Ahr und Nahe – schlecht aus.

Denn die CDU liegt nach Umfragen sechs bis sieben Punkte vorn, mithin dürfte deren Spitzenkandidatin Julia Klöckner viel eher Chancen auf das Amt der Ministerpräsidentin haben, und für Rot-Grün gibt es schon seit vielen Monaten in den Umfragen keine Mehrheit mehr. Dass die SPD jetzt versucht, mit einer kompromisslosen Haltung gegen die Teilnahme der AfD an Fernsehdebatten Sympathien zu gewinnen und vielleicht den Umschwung zu schaffen, könnte zur Mobilisierung der eigenen Wähler beitragen, doch die Rechtspopulisten dürften künftig durch die Lande ziehen, sich als Schmuddelkinder gebärden, mit denen keiner spielen will, und so manche Stimme einheimsen.

Bisher hat Dreyer polit-taktisch vieles richtig gemacht. Die Boykottandrohung dürfte hingegen eher unklug gewesen sein. Gerade vor einer Wahl der politischen Auseinandersetzung auszuweichen, ist doch etwas ungewöhnlich. Der Wahlkampf hat jedenfalls schon zu Beginn seinen ersten Höhepunkt.

Dreyer bleibt bei Absage zu Diskussionsrunde mit AfD

Ob es nun überhaupt zu einer Fernsehdiskussion kommt, ist völlig unklar. Die Grünen gingen gestern zwar von ihrem Nein zu einer Teilnahme der AfD ab, doch Dreyer blieb bei ihrer Absage. Der SWR-Chefredakteur Fernsehen Fritz Frey warf SPD und Grünen vor, sich nicht der AfD stellen zu wollen. „Man möchte denen fast zurufen: Was seid ihr eigentlich für Schönwetterdemokraten, wenn ihr euch jetzt wegduckt.“

Spannend wird es in Rheinland-Pfalz vor allem deshalb, weil sechs Parteien realistische Chancen auf den Einzug in den Mainzer Landtag haben (siehe aktuelle ZDF-Politbarometer-Umfrage von gestern) – und es von daher reichlich unklar ist, wer die Regierung stellen könnte. Eine große Koalition ist immer möglich. Derzeit gibt es auch die Chance auf ein Jamaika-Bündnis aus CDU, FDP und Grünen – rechnerisch jedenfalls. Nach fünf Jahren außerparlamentarischer Opposition würde die FDP aber lieber allein mit der CDU regieren. Was mathematisch aber nicht passt. Mit dem in Rheinland-Pfalz traditionell zerstrittenen Linken-Landesverband will nicht einmal die SPD etwas zu tun haben, eine Zusammenarbeit mit der AfD wird von allen Parteien abgelehnt.

Hochspannend wird die Wahl auch deshalb, weil niemand weiß, wie sich das Flüchtlingsthema entwickeln wird. Werden die Wähler der CDU, die schon einmal bei 43 Prozent stand, weiter davon laufen, weil sie Angela Merkels Haltung nicht teilen? Sind Auftritte der Bundeskanzlerin – sie will allein zehn in Rheinland-Pfalz absolvieren, einen davon am 9. März in Bad Neuenahr – deshalb Anti-Werbung für Julia Klöckner? SPD-Landeschef Roger Lewentz hofft darauf: „Ich freue mich, dass die Bundeskanzlerin so oft nach Rheinland-Pfalz kommt. In der CDU tobt der Bär.“ Wie schnell bundes- oder gar weltpolitische Themen auf Landtagswahlen durchschlagen, war vor fünf Jahren zu sehen, als nach der Havarie des Reaktors Fukushima die damals noch außerparlamentarischen Grünen auf 15,4 Prozent und in die Regierung durchstarteten.

Opposition übte immensen Druck auf Landesregierung aus

Um originär landespolitische Themen geht es zurzeit noch eher am Rande. Aber das wird sich sicherlich noch ändern. Schließlich hat die Opposition in den vergangenen fünf Jahren die Landesregierung mehrfach so sehr in die Enge getrieben, wie es in der fast 70-jährigen Geschichte von Rheinland-Pfalz noch nie geschehen war. Und das vor allem wegen des Umgangs der Landesregierung mit dem mindestens eine halbe Milliarde Euro teuren Bau eines Freizeitparks am Nürburgring.

Die ständigen Angriffe von CDU-Chefin Klöckner auf Kurt Beck (SPD), die bis zum Misstrauensantrag reichten, waren sicher ursächlich dafür, dass der Ministerpräsident Anfang 2013 nach 18 Jahren sein Amt aus gesundheitlichen Gründen abgab. Und auch die Kabinettsumbildung Ende 2014, die Becks Nachfolgerin Malu Dreyer (SPD) durchführte, hatte maßgeblich damit zu tun, dass die CDU nicht locker ließ und die neue Regierungschefin befürchten musste, dass die Nürburgring-Affäre immer wieder mit ihrer Regierung in Verbindung gebracht würde, wenn sie die angeschlagenen Minister und ihren Fraktionschef Hendrik Hering im Amt beließ.

Fast alle SPD-Minister ausgewechselt

Doch Dreyer machte aus der Not eine Tugend. Sie wechselte mit Ausnahme von Lewentz alle SPD-Minister aus oder gab ihnen neue Posten, bewies damit Führungsstärke und hatte zudem das Glück, dass sich die Wogen am Ring mit dem neu eingesetzten russischen Investor beruhigten. Auch beim Thema Flüchtlinge machte die CDU mit eigens organisierten Konferenzen so lange Druck, bis Rot-Grün selbst Initiativen ergriff und gemeinsam mit den Kommunen Lösungen für die Unterbringung suchte und oft auch fand.

Doch Verdienste oder kritikwürdiges Verhalten aus der Vergangenheit spielen bei der Wahlentscheidung oft keine große Rolle mehr. Stattdessen fragen sich die Wähler immer öfter: Wem kann ich am ehesten vertrauen. Und da wird es bis zum 13. März vor allem auf die beiden Spitzenkandidatinnen ankommen – also auf das erste Frauenduell bei einer Landtagswahl: Malu Dreyer gegen Julia Klöckner.

Ob dafür die guten persönlichen Werte für Dreyer ausschlaggebend sind, ist aber wieder eine andere Frage. So würden laut Politbarometer bei einer Direktwahl 44 Prozent der Befragten für die Amtsinhaberin, 37 Prozent für die Herausforderin stimmen. In der Bewertung auf einer Skala von -5 bis 5 kommen Dreyer auf 1,8 und Klöckner auf 0,9 Punkte.

Die SPD hat ihren Landesparteitag heute in Mainz unter das Motto gestellt „Damit Zusammenhalt weiter zählt“. Es ist genau auf Dreyer zugeschnitten, die von ihrer Partei immer mehr als Landesmutter in Szene gesetzt wird. Das Ziel ist klar: Die Wahl doch noch zu gewinnen.

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