Herr Präses, was haben Sie denn in Syrien gemacht?
Evangelische Kirche Manfred Rekowski über seinen Besuch in Syrien
Bonn · Manfred Rekowski ist Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. Er hat in Syrien kirchliche Partner besucht. In einem Interview spricht er über seine Erlebnisse vor Ort.
Manfred Rekowski: Wir haben in Syrien kirchliche Partner besucht, ganz konkret eine evangelische Gemeinde in der Altstadt von Damaskus. Und ich muss sagen, wir haben dort eine gewisse Normalität erlebt: Die Straßen dort waren beispielsweise besser als im Libanon. Das, was wir vom städtischen Leben gesehen haben, wirkte intakt. Wir haben einen kleinen Gang durch die Altstadt gemacht. Da erleben Sie ein Maß an Normalität, das mich überrascht hat.
Was war das Ziel Ihres Besuches?
Rekowski: Es haben ja Millionen Menschen das Land verlassen, auch Christen, gerade aus Sorge vor der Machtübernahme durch Fundamentalisten. Wir wollten denen, die geblieben sind, und die unter schwierigen Bedingungen ihren Glauben leben, ein Zeichen der Solidarität geben.
Wie frei können denn die Christen in Syrien ihren Glauben leben?
Rekowski: Die Christen, die wir gesprochen haben, sagen fast ausnahmslos, dass es aus ihrer Sicht nur zwei Alternativen für das Land gibt: Die eine Alternative ist die Machtübernahme durch die Opposition in Form von islamistischen Gruppierungen. Das würde aus ihrer Sicht die Vernichtung der Kirchen und den Tod der Gläubigen bedeuten. Die andere Alternative ist das Assad-Regime.
Deswegen haben uns Vertreter der evangelischen Gemeinde in Damaskus gesagt, dass Assad für sie das kleinere Übel sei. Weil er die Kirchen nicht antastet, und sie leben lässt. Zwischentöne, also zum Beispiel die Option einer Demokratisierung, haben wir nicht gehört. Vielmehr haben die Gesprächspartner immer wieder auf die Situation im Irak und das Machtvakuum nach dem Tod von Saddam Hussein verwiesen.
Wir unabhängig waren Ihre Gesprächspartner denn vom Assad-Regime?
Rekowski: Ich will es mal so formulieren: Wir haben in allen Kirchengebäuden und Gemeindehäusern, die wir besucht haben, auch in der Wohnung eines muslimischen Repräsentanten, Bilder des Staatspräsidenten gesehen. Das ist für uns Christen aus Deutschland eine sehr ungewohnte Beobachtung. Bevor ich am Sonntag in der Gemeinde in Damaskus gepredigt habe, habe ich meinen Gastgebern mein Predigtmanuskript gezeigt. Man bat mich dann ganz unverhohlen, bestimmte Dinge nicht anzusprechen, in der Angst, es könnte das Verhältnis zum Staat belasten. Man merkte an dieser Stelle, dass die Sorge vor dem langen Arm des Regimes auch für die Kirchen ganz real ist.
Sehen Sie Rückkehroptionen für Flüchtlinge aus Syrien?
Rekowski: Es gibt landesweit 500.000 Menschen, die an ihren ursprünglichen Wohnort zurückgekehrt sind. Im Libanon haben wir ein Flüchtlingscamp besucht und dort mit einer Frau aus Syrien gesprochen. Sie hat Angst vor der Willkür des Regimes. Damit müsse flächendeckend gerechnet werden. Denn jeder, der außer Landes gegangen ist, habe sich in den Augen des Assad-Regimes verdächtig gemacht. Die Leute haben Angst vor dessen Willkürherrschaft.