Rückhalt der Kanzlerin schwindet Merkel von allen Seiten unter Beschuss

Berlin · Das schwache Wahlergebnis und die Suche nach einem Koalitionspartner haben Angela Merkels Ansehen beschädigt. Ob die Kanzlerin bei einer Koalition mit der SPD wirklich vier Jahre im Amt bleibt, ist fraglich.

Drei Monate nach der Bundestagswahl sinkt das Ansehen von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die nur noch geschäftsführend im Amt ist und bislang keine klare Perspektive für ein neues Regierungsbündnis vorweisen kann. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov wünschen sich 47 Prozent der Bürger, dass die Kanzlerin im Fall einer neuen Regierung unter ihrer Führung nicht bis zum Ende der Wahlperiode im Amt bleibt.

Offene und verdeckte Angriffe gegen die durch Wahlergebnis und langwierige Regierungsbildung geschwächte Kanzlerin gehen auch zum Jahreswechsel weiter. Insbesondere die FDP legt die Axt an. Auch die SPD versucht, Merkel in die Enge zu treiben.

FDP-Parteichef Christian Lindner erteilte in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ einer Regierungsbeteiligung der FDP mit der CDU eine Absage, solange Merkel die Regierung anführt. Er formulierte die Absage indirekt, aber unmissverständlich: „Selbstverständlich will Frau Merkel nach zwölf Jahren im Amt nicht im Widerspruch zum eigenen Handeln geraten“, sagte Lindner und verwies auf den Anspruch der Liberalen, als Regierungspartei Teil eines Erneuerungsprojektes zu sein.

Kubicki gibt Merkel Schuld an gescheiterten Gesprächen

FDP-Vize Wolfgang Kubicki legte nach. Obwohl die Liberalen mit großer Geste und inszeniertem medialem Auftritt die Gespräche zu einer Jamaika-Koalition verlassen hatten, wies Kubicki der Kanzlerin die Schuld am Scheitern eines schwarz-gelb-grünen Bündnisses zu. „Sie hat daran gebastelt, die Fortsetzung der großen Koalition zu erreichen. Das ist ihr gelungen“, sagte Kubicki der Funke-Mediengruppe.

Er brachte zugleich „nach Neuwahlen“ eine Koalition mit einer „erneuerten CDU/CSU“ ins Spiel. Indirekt forderte er die Union auf, Merkel an der Spitze zu vertreiben. Es sei nicht seine Aufgabe zu sagen, Merkel müsse weg, betonte Kubicki. „Die Union muss selbst wissen, wie sie aus dem Jammertal der knapp 30 Prozent rauskommen will“, sagte er. Die Sozialdemokraten, die Merkels letzte Chance sind, erneut eine Regierung unter ihrer Führung zu bilden, setzen die Kanzlerin inhaltlich unter Druck. Viele führende Sozialdemokraten spekulieren darauf, dass ihre Partei zwar Merkel noch einmal das Kanzleramt sichert, das Bündnis aber nach zwei Jahren platzen lässt.

Außenminister Sigmar Gabriel machte eine Neuauflage der großen Koalition von der Bereitschaft der Union zu Reformen auf europäischer Ebene und im deutschen Gesundheitswesen abhängig. „Wenn das Kanzleramt alle Vorschläge zur EU-Reform weiterhin ablehnt wie bisher, wird es keine Koalition mit der SPD geben“, sagte Gabriel der „Bild“. Er betonte, es mache ebenfalls wenig Sinn, Koalitionsgespräche zu führen, wenn die Union darauf bestehe, dass gesetzlich Versicherte schlechter behandelt würden als privat Versicherte.

Die SPD steht aber selbst enorm unter Druck. Einer aktuellen Forsa-Umfrage zufolge ist die Partei unter die Marke von 20 Prozent gesunken und liegt bei nur noch 19 Prozent Zustimmung. Die Union konnte sich um einen Prozentpunkt auf 34 verbessern. Die Grünen bleiben bei zwölf, Liberalen bei nur noch acht Prozent, die Linken zehn und die AfD zwölf Prozent.

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