Migration Merkel warnt vor Wettlauf mit der AfD

Berlin · Die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin und der Umgang mit den Rechtspopulisten bestimmten die Generaldebatte im Bundestag. Auch an diesem Tag zeigten sich tiefe Risse zwischen CDU, CSU und SPD.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel während der Generaldebatte über den Haushalt 2017.

Bundeskanzlerin Angela Merkel während der Generaldebatte über den Haushalt 2017.

Foto: Sophia Kembowski

Kanzlerin Merkel (CDU) hat angesichts immer schärferer Attacken auf ihre Flüchtlingspolitik vor einem Populismus-Wettlauf mit der AfD gewarnt: "Wenn auch wir anfangen, in unserer Sprache zu eskalieren, gewinnen nur die, die es immer noch einfacher und noch klarer ausdrücken können".

Auf die vehement vorgetragene CSU-Forderung nach einer Kursänderung ging sie in der Generaldebatte des Bundestags über den Haushalt 2017 erneut nicht ein. Führende Politiker der Schwesterpartei legten nach und machten eine Orientierung Merkels hin zur politischen Mitte für das Erstarken der AfD und die Krise der Union mitverantwortlich.

Die Linke warf Schwarz-Rot vor, die Menschen mit ihrer Flüchtlingspolitik zu verunsichern und den sozialen Zusammenhalt zu gefährden. Linksfraktionschef Dietmar Bartsch sagte: "Deutschland wird nicht von Zuversicht regiert, sondern Deutschland wird von Angst regiert." Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt warf Union und SPD vor, von Stimmungen und Meinungsumfragen getrieben das Vertrauen in die Politik zu verspielen. Seehofer übernehme das Geschäft der Rechtspopulisten: "Wer jeden Blödsinn der Populisten nachplappert, der muss sich nicht wundern, wenn sie dann gewählt werden."

Bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern war die CDU am Sonntag hinter SPD und AfD nur noch auf Platz drei gekommen. Die CSU und ihr Vorsitzender Horst Seehofer haben seither ihre Forderung nach einer Korrektur des Merkelschen Kurses verstärkt.

Nachdem sich kürzlich auch SPD-Chef Sigmar Gabriel von Merkels Flüchtlingspolitik distanziert und der Union Blockade vorgeworfen hatte, zeigte sich der Riss zwischen Union und SPD auch im Parlament. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann warf Unionspolitikern vor, mit "Phantomdebatten" wie über ein Burka-Verbot Ängste zu schüren und der AfD in die Hände zu spielen. Die Regierung müsse stattdessen für soziale und öffentliche Sicherheit sorgen.

Merkel betonte in der Debatte, bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise habe es große Fortschritte gegeben. "Die Situation heute ist um ein Vielfaches besser als vor einem Jahr." Zugleich versprach sie, die Sorgen der Bevölkerung ernst zu nehmen. "Die Menschen dürfen verlangen, dass wir das Menschenmögliche tun, um ihre Sicherheit zu gewährleisten." Sie versicherte: "Deutschland wird Deutschland bleiben - mit allem was uns daran lieb und teuer ist."

An alle Bundestagsparteien appellierte die Kanzlerin, gegen die AfD zusammenzuhalten. "Wenn wir untereinander nur den kleinen Vorteil suchen, um zum Beispiel noch irgendwie mit einem blauen Auge über einen Wahlsonntag zu kommen, gewinnen nur die, die auf Parolen und scheinbar einfache Antworten setzen", warnte Merkel. "Ich bin ganz sicher: Wenn wir uns das verkneifen und bei der Wahrheit bleiben, dann gewinnen wir. Und wir gewinnen so das Wichtigste zurück, was wir brauchen: Vertrauen der Menschen."

Ohne die scharfe Kritik Seehofers an ihrem Kurs direkt anzusprechen rief Merkel zu Mäßigung im Tonfall auf. "Wenn wir anfangen, uns sprachlich und tatsächlich an denen zu orientieren, die an Lösungen nicht interessiert sind, verlieren am Ende wir die Orientierung."

Vor der Generaldebatte verlangte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) von Bundestag und Regierung, zügig eine Obergrenze von maximal 200 000 Flüchtlingen im Jahr zu beschließen. "Das erwarten die Bürger", sagte er der Zeitung "Die Welt". Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) wies dies in der ARD zurück: "Wir haben mehrfach gesagt, dass wir Obergrenzen nicht für sinnvoll halten."

Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) machte den Kurs Merkels für das Erstarken der AfD mitverantwortlich: "Wer immer mehr nach links rutscht, der lässt rechts Platz frei", sagte er in München. Für CDU und CSU sei es aber eine "historische Aufgabe im Parteiensystem, Wähler rechts von der Mitte zu binden". Der "Zeit" sagte er: "Wenn die CDU ihren Kurs nicht ändert, dann könnte ihr Ähnliches passieren wie der SPD." Die Sozialdemokraten hätten einmal den Fehler gemacht, weite Teile ihrer Kernwählerschaft zu ignorieren. Auch daraus sei die Linkspartei entstanden und geblieben.

Söder spielte damit auf die Hartz-IV-Reformen des damaligen SPD-Kanzlers Gerhard Schröder an, die in dessen Partei heftig umstritten waren.

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