Merkel weist Eindruck von Chaos zurück

Berlin · Die schwarz-roten Parteichefs hatten den größten Streitpunkt beim Gipfel am Sonntag ausgeklammert: Den Flüchtlingskurs der Kanzlerin. Am Tag danach gehen die Schuldzuweisungen weiter.

 Lehnt eine gesetzliche Obergrenze für Flüchtlinge weiter ab: Bundeskanzlerin Merkel.

Lehnt eine gesetzliche Obergrenze für Flüchtlinge weiter ab: Bundeskanzlerin Merkel.

Foto: Sebastian Gollnow/Archiv

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den auch von CSU-Chef Horst Seehofer erweckten Eindruck eines Regierungsversagens in der Flüchtlingskrise zurückgewiesen.

"Die Bundesregierung war in dieser Frage voll und ganz handlungsfähig, und sie ist es weiterhin", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.

Man stecke "mittendrin in mühsamen, anspruchsvollen Prozessen". Alles, was die Regierung seit Sommer 2015 getan habe, sei zudem gemeinsam beschlossen worden. "Viel ist geschafft, viel bleibt zu tun."

Trotz aller Geschlossenheitsappelle gingen nach dem Spitzentreffen der drei Parteichefs der Koalition vom Sonntag die gegenseitigen Schuldzuweisungen weiter. Die Opposition aus Linkspartei und Grünen stellte die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung in Frage.

Die Koalitions-Parteichefs hatten sich auf einen Fahrplan zur Lösung strittiger Sachthemen wie Entgeltgleichheit von Männern und Frauen, Erbschaftsteuer sowie der Angleichung der Renten in Ost und West geeinigt, den Flüchtlingsstreit aber ausgeklammert. Anfang Oktober sollen die Partei- und Fraktionschefs der Koalition zusammenkommen, um Entscheidungen zu treffen. Seehofer wirft Merkel schwere Fehler vor und fordert eine gesetzliche Obergrenze von maximal 200 000 Flüchtlingen pro Jahr. Das lehnt die Kanzlerin ab.

Seibert betonte, es sei auch künftig wichtig, die illegale Migration zu stoppen. Durch das EU-Türkei-Abkommen sei die "lebensgefährliche Schmugglerkriminalität" in der Ägäis stark reduziert worden. In anderen Teilen des Mittelmeers gebe es aber noch Handlungsbedarf. Es sei daher notwendig, ähnliche Vereinbarungen mit anderen Anrainerstaaten des Mittelmeers zu treffen. "Das ist nur sehr schwierig, weil wir in Libyen keinen wirklich im ganzen Land anerkannten staatlichen Partner haben."

Der CSU-Innenexperte Stephan Mayer sagte dem MDR, in allen drei Koalitionsparteien bestehe der ernsthafte Wille, "die derzeitigen Dissonanzen zu klären und die Irritationen zu beheben". Es sei auch nicht so, dass zwischen CDU und CSU "der Graben so tief ist, dass er nicht zugeschüttet werden könnte". CDU-Vize Armin Laschet sagte im ZDF, die CDU werde der CSU im Ringen um die Flüchtlingspolitik nicht nachgeben. "Angela Merkel hat geliefert. Die Zahlen sind 'runtergegangen." Zugleich warnte er: "Wenn die Volksparteien in dieser Weise miteinander streiten, wie das die letzten Wochen der Fall war, dann nützt das nur der AfD."

SPD-Generalsekretärin Katarina Barley sagte in Berlin: "Es ist die Aufgabe von Angela Merkel, jetzt für Regierungsfähigkeit der CDU und der CSU zu sorgen." Der Unionsstreit drohe die Arbeit der Regierung zu blockieren. Barley ergänzte: "Aber klar ist ja auch, die SPD kann jetzt nicht auf Dauer Mediatorin oder Vermittlerin zwischen Schwesterparteien im Zickenkrieg sein. Das ist nicht unsere Aufgabe."

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sagte der "Passauer Neuen Presse" (Montag), seine Partei trage die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung mit. "Wobei ein Regierungspartner dabei etwas fremdelt", ergänzte er mit Blick auf die CSU.

CDU-Vize Thomas Strobl warf der SPD Blockade bei der Ausweitung sicherer Herkunftsländer auf drei Staaten Nordafrikas vor. Das Gesetz sei im Bundestag mit SPD-Stimmen verabschiedet worden und hänge nun in der Luft, weil SPD-Ministerpräsidenten es im Bundesrat blockierten. Die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg, der Strobl angehört, hatte Zustimmung signalisiert.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kritisierte in der ARD, dass die Flüchtlingspolitik bei dem Spitzengespräch ausgeklammert wurde. "Dass man über ein Thema, das alle umtreibt, nicht mal reden kann, weil die Koalitionäre so weit auseinander sind, das ist ein Armutszeugnis." Linksfraktionschef Dietmar Bartsch bemängelte, beim Spitzentreffen seien nur Ankündigungen herausgekommen. "Die Koalition ist sichtlich am Ende, jede Partei wirtschaftet nur auf eigene Rechnung. Das Beste ist, schnell die Scheidung einzureichen."

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