Reaktion auf Özil-Debatte "MeTwo" - Hashtag gegen Alltagsrassismus bewegt Tausende

Berlin · Durch Twitter geistert ein neuer Hashtag: Unter "MeTwo" teilen Tausende Menschen ihre Erfahrungen mit Alltagsrassismus. Die Idee stammt von einem jungen Mann - er fordert ein neues "Verständnis vom Deutschsein".

Nach Meinung des Initiators des Twitter-Hashtags "MeTwo" braucht die deutsche Gesellschaft ein neues "Verständnis vom Deutschsein".

"Meine Heimat ist Deutschland, und ich bekenne mich zu unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung", sagte der Autor und Aktivist Ali Can dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Gleichzeitig fühle ich mich aber auch mit den Menschen aus dem türkischen Dorf verbunden, in dem ich geboren wurde." Aus diesem Grund heißt die von ihm ins Leben gerufene Twitter-Aktion gegen Alltagsrassismus auch "MeTwo", also "IchZwei".

Anlass ist die Rassismusdebatte, die Fußballstar Mesut Özil mit seinem Rücktritt aus der deutschen Nationalmannschaft ausgelöst hat. Tausende Menschen teilen seit Mittwoch unter dem Schlagwort "MeTwo" auf Twitter ihre Erfahrungen mit Diskriminierung. Der 25-jährige Can beschreibt den Hashtag in einem Video des Onlinemagazins "Perspective Daily" als "eine "MeToo"-Debatte für Menschen mit Migrationshintergrund". Unter diesem Schlagwort teilen seit Monaten Millionen von Frauen ihre Erlebnisse mit sexueller Gewalt und Belästigung. Can kam mit seiner Familie 1995 nach Deutschland.

Seit Mittwoch wurde der Hashtag "MeTwo" nach Zahlen des dpa-Monitoring Dienstes Buzzrank mehr als 62.000 Mal getwittert. Am Freitag wurde zeitweise sogar mindestens ein Tweet pro Sekunde mit dem Schlagwort abgesetzt.

Auch viele Prominente teilen ihre Erfahrungen mit alltäglichem Rassismus. "Wenn ich im übervollen Zug der einzige Nichtweiße bin, Polizei steigt ein, und der einzige, der seinen Ausweis zeigen muss, bin ich", schreibt der "Spiegel"-Journalist Hasnain Kazim. Der Autor hat schon zuvor immer wieder Hassmails öffentlich gemacht, die er regelmäßig bekommt.

"Wenn Neonazis deine Mutter bedrohen und die Staatsanwaltschaft ihr sagt: "Naja, vielleicht sollte Ihr Sohn sich nicht so prominent in der Öffentlichkeit äußern."", twitterte Satiriker Shahak Shapira, der in Israel zur Welt kam und immer wieder Opfer von Antisemitismus wird.

Can findet, dass seine Aktion bereits Wirkung zeigt. Dem Redaktionsnetzwerk sagte er: Ganze Menschengruppen würden etwa nach Terroranschlägen mit Argwohn betrachtet. "Davon wissen Menschen, die damit nicht jeden Tag zu kämpfen haben, oft gar nichts. Aus den Reaktionen auf all die #MeTwo-Tweets lässt sich schon jetzt ablesen, dass sich das ändert."

Und Özil? "Dass sein Selfie im Vorfeld der Türkeiwahlen politisch ausgelegt werden würde, war abzusehen", findet Can. Verstehen könne er ihn teilweise aber: "Auch ich selbst habe den Eindruck, dass ich nur dann als Deutscher anerkannt werde, solange ich keine Fehler mache."

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