Vereidigung des Kabinetts Das sind die neuen NRW-Minister

Special | Düsseldorf · Das Kabinett Wüst II steht. Wir stellen die zwölf Mitglieder vor und sagen, an welcher Stelle der Ministerpräsident und seine Stellvertreterin die Öffentlichkeit überraschten.

Das ist das neue Kabinett Wüst
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Das ist das neue Kabinett Wüst

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Der frisch wiedergewählte NRW-Ministerpräsident Henrik Wüst ist (CDU) ist bis zum Schluss seiner Linie treu geblieben und hat sich bei der Berufung seines neuen Kabinetts nicht in die Karten schauen lassen. Selbst um die finalen Zuschnitte der Ministerien machte er ein Geheimnis. Doch nun stehen die neuen fest. Ein Überblick:

Innenminister

Dass Herbert Reul (69) den Posten bekommen würde, war ausgemachte Sache. Die Partei hatte im Wahlkampf damit geworben, wer Reul als Innenminister wolle, der müsse sein Kreuzchen bei der CDU machen. Wäre er nicht berufen worden, wäre es das erste gebrochene Wahlversprechen der Legislatur geworden. Reul gilt nicht nur bei seinen Polizisten, sondern auch bei der CDU-Basis als extrem beliebt. Mit klarer Sprache und einer klaren Null-Toleranz-Agenda besetzt er schwarze Kernthemen. Den Kampf gegen Rocker und Clan-Kriminalität wird er weiter fortsetzen. Dafür musste er den Grünen zusagen, dass er eine juristisch einwand- und diskriminierungsfreie Definition von Clankriminalität erarbeitet. Auch die Elektroschocker (Taser) für die Polizei werden nicht abgeschafft, aber von unabhängiger Stelle überprüft. Zudem dürfen sie nur noch zum Einsatz kommen, wenn die Bodycam des Polizisten läuft. Das Polizei- und Versammlungsgesetz bleiben unangetastet – ein klarer Sieg für Reul. Seine wohl schwierigste Aufgabe in dieser Legislaturperiode: die anstehende Räumung von Lützerath. Schon einmal musste Reul den teuersten Polizeieinsatz in der Geschichte des Landes verantworten.

Arbeits- und Gesundheitsminister

Bei der feierlichen Unterzeichnung des Koalitionsvertrags fehlte der 64-Jährige Karl-Josef Laumann überraschenderweise. Sein Haus erklärte das mit einem vollen Terminkalender. Der Chef des CDU-Bezirksverbands Münsterland hatte mehrfach bekundet, dass er gerne weitermachen würde. Wüst erfüllt dem Maschinenschlosser diesen Wunsch. Dass er derzeit so stark eingebunden ist, dürfte insbesondere mit der Sommer-Corona-Welle zusammenhängen, die schon absehbar zur Belastung für das Gesundheitssystem werden dürfte. Laumann hat zudem eine zweite Baustelle, die ihm gerade viel Unmut einbringt: der Tarifstreit an den Unikliniken. Dort drückt sich das Land bislang um eine Finanzierungszusagen. Bislang stehen die Arbeitgeber auf dem Standpunkt, dass es nur für die Pflegekräfte mit direktem Patientenkontakt Entlastungen geben soll, denn die Beträge sind von den Krankenkassen gegenfinanziert. Für alles andere müsste das Land den Geldbeutel aufmachen. Ein weiteres Projekt mit Sprengkraft ist die Umsetzung des Krankenhausplans. Die SPD spricht bereits von einem Kahlschlag bei den Krankenhäusern. Laumann verspricht dagegen eine Qualitätsoffensive. Im Themenfeld Arbeit wird sich Laumann insbesondere mit dem sich zuspitzenden Fachkräftemangel und der Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit auseinandersetzen müssen.

Landwirtschafts- und Verbraucherschutzminister

Für die Grünen ist es ein Sündenfall, dass sie dieses Ressort nicht mehr besetzen. Aber durch die Herauslösung wird vor allem vermieden, dass die ländliche, überwiegend CDU-affine Bevölkerung zu große Vorbehalte gegen Schwarz-Grün entwickelt. Diese Aufgabe soll künftig die Landrätin des Kreises Kleve, Silke Gorißen übernehmen.

Schulministerin

Kein Themengebiet wurde so sehr wie eine heiße Kartoffel behandelt, wie das Bildungsministerium. Die Junge Union hatte früh darauf gedrungen, dass die CDU es für sich beanspruchen müsste – stand mit dieser Haltung aber weitestgehend allein auf weiter Feld und Flur. Die SPD hat schon klar gemacht, dass ihr die im Koalitionsvertrag festgehaltenen Punkte nicht als Basis ausreichen, um den Schulfrieden fortzusetzen, der im kommenden Jahr ausläuft. Zwar scheut auch die SPD eine Schulstrukturdebatte, aber einfach werden dürfte es nicht werden. Zumal Eltern, Schüler und Lehrer im dritten Pandemie-Jahr erwarten, dass die Vorbereitungen für das neue Schuljahr besser laufen. Dorothee Feller hat für die CDU das Thema Schule in den Koalitionsverhandlungen mitverhandelt. Im September 2017 stieg die Juristin von der Stellvertreterin zur Regierungspräsidentin von Münster auf, bei der sie seit 1996 beschäftigt ist. Während der Flutkatastrophe machte sie die Landesregierung darauf aufmerksam, dass die sogenannten hydrologischen Berichte des Landesamtes für Umwelt, Natur und Verbraucherschutz nie die Kreisleitstellen erreicht hatten. Doch genau wie die Lanuv-Berichter erreichte auch Fellers Hinweis nie Innenminister Herbert Reul. Ein im Nachhinein unangenehmer Vorgang für das Land. Feller wird auch aufseiten der Grünen sehr geschätzt und fiel in den Verhandlungen als Pragmatikerin, nicht als Ideologin auf.

Kultur und Wissenschaft

Hendrik Wüst holte Ina Brandes als Verkehrsministerin in sein Kabinett. Die Baumanagerin hat allerdings auch ein Fernstudium der Schriftstellerei absolviert. Sie wird künftig für Wissenschaft und Kultur zuständig sein.

Bauen, Kommunales und Digitalisierung

Die Chefin der NRW-Frauen-Union, Ina Scharrenbach, hat den Themenkomplex Gleichstellung an die Grünen abgegeben, bekommt dafür aber den Komplex der Digitalisierung hinzu. Da es derzeit insbesondere um den schnelleren Ausbau der Netze geht und beim Thema Glasfaser die Kommunen ohnehin mit im Boot sitzen, macht dieser Zuschnitt durchaus Sinn. Scharrenbach gilt als bienenfleißig, ist extrem tief in den Themen drin. Das wird allerdings auch gegen sie ausgelegt. So heißt es, Scharrenbach könne schlecht delegieren. Ihr wurden Ambitionen auf Landesvorsitz und den Posten der Regierungschefin nachgesagt, es fehlte aber zum richtigen Zeitpunkt das Landtagsmandat. Das könnte sie schnell bekommen, wenn der Ratinger Abgeordnete Jan Heinisch wieder zum Staatssekretär ernannt würde und dafür sein Mandat abgibt. Scharrenbach wäre mit Listenplatz zwei die erste Nachrückerin. Die Kommunen erwarten mit Spannung, wie es in Sachen Altschuldenlösung weitergeht. Die Zeit drängt, schließlich könnten die steigenden Zinsen zu einem echten Problem für zahlreiche NRW-Kommunen mit toxischen Krediten in den Büchern werden.

Finanzen

Unter Lutz Lienenkämper führte das Finanzministerium ein mediales Schattendasein. Das könnte sich unter der neuen Führung ändern. Zuletzt wurden auch Bundespolitiker wie Ralph Brinkhaus als Anwärter gehandelt. Doch weil der Niederrhein sich nicht ausreichend berücksichtigt sah, fiel die Wahl auf den Landtagsabgeordneten und Fraktionvize Marcus Optendrenk, der wie sein Vorgänger Lutz Lienenkämper Rheinländer ist. Der promovierte Volljurist stammt aus dem Kreis Viersen.

Staatskanzlei, Europa- und Bundesangelegenheiten

Schon lange gilt Nathanael Liminski als die grauen Eminenz im Hintergrund. In der Staatskanzlei hielt er bereits Armin Laschet den Rücken frei, auch Wüst weiß das Organisationstalent und die intellektuellen Fähigkeiten seines Chefs der Staatskanzlei (CdS) zu schätzen. Bislang war er im Rang eines Staatssekretärs unterwegs. Doch dass er in die erste Reihe streben würde, das hatte er bereits mit seiner vergeblichen Kandidatur für den Landtag unterstrichen. In Berlin ist er von den CdS-Runden im Vorgriff auf die Ministerpräsidentenkonferenzen gut vernetzt. Der frühere Redenschreiber von Roland Koch, Karl-Theodor zu Guttenberg und Thomas de Maizière verfügt über ein gutes Netzwerk. Beim Koalitionspartner gibt es massive Vorbehalte gegen Liminski wegen früherer Äußerungen zum Thema Homosexualität, die allerdings weit zurückliegen.

Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klima und Energie

Die Grünen hatten ihre Personalien schon vor ihrem Parteitag bekannt gegeben. Die stellvertretende Ministerpräsidentin und Mona Neubaur rückt an die Spitze dieses zentralen Superministeriums, das maßgeblich für das Gelingen der Energiewende verantwortlich sein wird. Windradausbau, Solarpflicht, aber auch die Versorgungssicherheit mit Gas. Ihre erste Bewährungsprobe hat sie schon kurz nach der Vereidigung. Schließlich haben sowohl SPD als auch AfD den Gasnotstand zum Thema einer aktuellen Stunde im Landtag gemacht. Für die 44-Jährige ist der Ministerposten ihr erstes exekutives Amt. Auch ein Mandat hatte sie in der Vergangenheit nicht inne. Das hat sich mit der Wahl am 15. Mai aber geändert. Neubaur hat es geschafft, den schwarz-grünen Koalitionsvertrag nach innen gut zu verkaufen. Mit Ausnahme der Grünen Jugend stimmten die Delegierten beim Parteitag mehrheitlich für das Projekt Schwarz-Grün. Neubaur, die maßgeblich daran gearbeitet hatte, die Partei nach der katastrophalen Wahlschlappe von 2017 wieder aufzubauen, hat durchaus Erfahrungen im Energiesektor gesammelt. Sie arbeitete lange für den Öko-Energieanbieter Naturstrom. Vorbehalte der Wirtschaft gegen eine grüne Politik hat sie in den vergangenen Jahren gezielt abgebaut, indem sie gemeinsam mit ihrem Co-Vorsitzenden Felix Banaszak mit Konzernlenkern über deren Sorgen vor er Energiewende sprach. Rausgehe zu denen, die nicht in der grünen Blase leben, das ist eine Maxime der gebürtigen Bayerin und Wahl-Düsseldorferin.

Ministerin für Kinder, Jugend und Familie,Gleichstellung, Integration und Flucht

Die bisherige Co-Chefin der Grünen-Landtagsfraktion, Josefine Paul, hat ihren Wahlkreis in Münster. In der abgelaufenen Legislaturperiode war sie familienpolitische Sprecherin. Sie ist liiert mit der sächsischen Justizministerin Katja Meyer, die wie Paul in Münster studierte. Fast genau ein Jahr vor Wüsts Wahl zum Ministerpräsidenten in NRW übernahm sie mit Verena Schäffer die Fraktionsführung. Seitdem hat sie sich als angriffslustige und schlagfertige Schnellrednerin einen Namen gemacht. Vor ihrer politische Karriere arbeitete Paul als Lehrerin in Dortmund. Die drängendste Aufgabe für Paul wird die Integration der vor dem Ukraine-Krieg geflüchteten sein. Auch ruhen auf ihr die Hoffnungen der Wirtschaft, die auf eine bessere und zügigere Anerkennung ausländischer Abschlüsse hoffen, um mehr Fachkräfte nach NRW zu locken. Im Bereich der Kitas wird sie ein bei vielen Eltern populäres Wahlversprechen der CDU umsetzen: das dritte beitragsfreie Kita-Jahr. Zugleich muss sie in diesem Bereich auch eine Lösung für den Erzieherinnen-Mangel finden.

Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr

Mit Oliver Krischer übernimmt ein prominenter Bundes-Politiker aus NRW das neu geschaffene Ressort. Der Ornithologe ist derzeit noch Parlamentarischer Staatssekretär bei Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Krischer stach den Kölner Verkehrsexperten Arndt Klocke aus. Er selbst bringt allerdings einiges an verkehrspolitischer Expertise mit, arbeitete sich im Bundestag unter anderem an dem Maut-Skandal um den damaligen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ab. Auf ihn warten einige Baustellen. Die marode Brückeninfrastruktur gilt es genauso zu adressieren wie die Reaktivierung stillgelegter Bahntrassen. Zudem wird die Erwartungshaltung groß sein, dass auf das auslaufende 9-Euro-Ticket weitere Initiativen des Landes folgen werden. Krischer muss zudem die neue Stoßrichtung verteidigen, dass Sanierung von Straßenprojekten Vorrang vor Neubau hat. Damit dürfte so manches sehnlich erwartete Umgehungsstraßen-Projekt im Papierkorb landen. Beim Natur- und Umweltschutz wird er sich einem Herzensanliegen widmen: dem Stopp des Artensterbens. Konflikte mit dem Landwirtschaftsministerium dürften hierbei programmiert sein.

Minister der Justiz

Er war die eigentliche Überraschung des Grünen-Personaltablaeus. Kaum jemand dürfte den Bonner Benjamin Limbach auf dem Zettel gehabt haben. Der Anruf von Mona Neubaur ereilte ihn erst kurz vor dem Landesparteitag der Grünen. Den Delegierten gestand er dabei, Neubaur habe ihn sprachlos gemacht – eine Seltenheit beim jüngsten von drei Kindern. Limbach ist derzeit Präsident der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl, hat aber bereits im NRW-Justizministerium als Referatsleiter gearbeitet – und war unter anderem Büroleiter des damaligen Justizministers Wolfgang Gerhards. Der Grünen-Politiker ist der Sohn der verstorbenen Bundesverfassungsgerichts-Präsidentin Jutta Limbach (SPD). In seiner neuen Rolle wird er als Gegenpart zu Innenminister Herbert Reul wahrgenommen werden. Limbach kündigte bereits an, die Justiz des Landes bürgernäher und digitaler gestalten zu wollen.

Weitere Posten

Nach dem Ausscheiden von Bodo Löttgen bedurfte die CDU-Landtagsfraktion eines neuen Vorsitzenden. Nach Informationen unsere Redaktion soll Fraktionsvize Thorsten Schick aufrücken. Und auch die Grünen müssen sich nach dem Wechsel von Josefine Paul ins Familienministerium neu sortieren. Allerdings ist der Handlungsdruck bei den Grünen deutlich geringer. Immerhin ist Verena Schäffer weiterhin in Amt und Würden und soll dem Vernehmen nach den Posten auch weiter innehaben.

Dieser Artikel erschien zuerst bei RP-Online.

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