Geld für Therapien Missbrauchsbeauftragter: Versprochener Hilfsfonds ist leer

Berlin · Bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals vor fünf Jahren gab die Politik Betroffenen eine Zusage: ausreichend Geld für Therapien. Wie steht es mit diesem Versprechen?

 Für den Fonds für die Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs in Familien hatte die Politik 100 Millionen Euro für schnelle Hilfen versprochen.

Für den Fonds für die Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs in Familien hatte die Politik 100 Millionen Euro für schnelle Hilfen versprochen.

Foto: Julian Stratenschulte/Symbolbild

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, warnt erneut vor Geldnot beim Hilfsfonds für die Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs in Familien. "Wenn bis Jahresende nichts passiert, ist Ebbe", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Für den Fonds hatte die Politik 2011 bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals 100 Millionen Euro für schnelle Hilfen versprochen. Der Fonds sei praktisch schon leer, wenn alle bereits gestellten Anträge bearbeitet seien, ergänzte Rörig. Das Bundesfamilienministerium sieht das anders. "Es ist nicht davon auszugehen, dass die Fondsmittel im nächsten Jahr aufgebraucht werden", sagte eine Sprecherin.

Ursprünglich lautete die Rechnung so: 50 Millionen Euro für den Fonds für Opfer in Familien kommen vom Bund, 50 Millionen von den Ländern. Der Bund zahlte. Auch Bayern und Mecklenburg-Vorpommern gaben nach dem Königsteiner Schlüssel Geld. Zuletzt entschied sich Hessen dafür. So kommen rund 62,5 Millionen Euro zusammen - nicht aber die zugesagten 100 Millionen. 13 der 16 Bundesländer hätten eine Einzahlung bisher konsequent verweigert, sagte Rörig. "Ich sehe ein wichtiges politisches Versprechen an die Opfer gebrochen, wenn der Bund jetzt nicht in Vorlage geht".

Mit den bisher gestellten rund 8000 Anträgen seien 64 Millionen Euro faktisch gebunden und der Fonds somit ausgeschöpft. Denn durchschnittlich würden rund 8000 Euro pro Person bewilligt. "Für neue Antragsteller ist dieser unsichere Zustand unzumutbar", kritisierte Rörig. Es könne nicht sein, dass die Politik ein nicht fundiertes Versprechen auf dem Rücken der Betroffenen austrage und sie nun erneut hängen lasse.

Das Familienministerium rechnet anders. Es bezieht allein die bisher rund 2000 beschiedenen Anträge in seine Kalkulation ein und kommt so auf 17 Millionen Euro gebundene Mittel.

Das Geld ist für Erwachsene gedacht, die in ihrer Kindheit und Jugend sexuelle Übergriffe in ihren Familien erlitten und bis heute unter den Folgen leiden. Sie können Geld für Therapien und Hilfsmittel beantragen, wenn ihre Krankenkasse dafür nicht zahlt.

Bis zum 19. November tagt ein Betroffenenkongress in Berlin. "Natürlich gibt es Befürchtungen, dass die Gelder nicht ausreichen", sagte Kerstin Claus vom Betroffenenrat. Sie fürchtet bereits für laufende Anträge, dass die Leistungen zurückgehen.

Das Bundesfamilienministerium sieht keinen Grund zur Beunruhigung. "Falls die Fondsmittel nicht ausreichen sollten, wird sich das Ministerium für eine haushaltsrechtliche Grundlage für die Einzahlung weiterer Mittel einsetzen", sagte eine Sprecherin. Über den Haushalt muss dann aber das Parlament beschließen - auf Basis eines Haushaltsplans der Regierung.

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