Evangelischer Kirchentag Mit klarer Haltung

Berlin · Im Mai werden rund 140.000 Gäste zum Evangelischen Kirchentag erwartet. Zahlreiche Politiker werden über gesellschaftlichen Zusammenhalt und religiöse Toleranz diskutieren. Auch eine Vertreterin der AfD wird zu Gast sein.

 Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au spricht in Berlin in der Humboldt Box bei einer Pressekonferenz zum Programm des Kirchentages.

Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au spricht in Berlin in der Humboldt Box bei einer Pressekonferenz zum Programm des Kirchentages.

Foto: picture alliance / Christophe Ga

Große weiße Glupschaugen blicken vom Umschlag der 576 Seiten dicken, orangefarbenen Broschüre. Darunter steht der Slogan des 36. Deutschen Evangelischen Kirchentags, der vom 24. bis 28. Mai mit rund 140.000 erwarteten Besuchern in Berlin, Potsdam und Wittenberg, stattfinden soll: „Du siehst mich!“

Am Dienstag stellten Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au, Generalsekretärin Ellen Ueberschär und der Berliner Bischof Markus Dröge das Programm der Großveranstaltung vor. „Dialog ist die Grundhaltung dieses Kirchentags“, sagte Aus der Au. Neben zahlreichen Veranstaltungen zum Reformationsjubiläum steht vor allem der Zusammenhalt der Gesellschaft im Jahr der Bundestagswahl im Zentrum des Programms.

Zu den prominentesten Gästen des Protestantentreffens zählen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. Nahezu das gesamte Bundeskabinett und zahlreiche Ministerpräsidenten, etwa Winfried Kretschmann (Grüne) aus Baden-Württemberg, Malu Dreyer (SPD) aus Rheinland-Pfalz und Bodo Ramelow (Linke) aus Thüringen, beteiligen sich an den Podiumsdiskussionen.

„Dieser Kirchentag wird im Vorfeld einer wichtigen Bundestagswahl zeigen, wie stark die Kräfte des liberalen Protestantismus sind“, sagte Kirchentagsgeneralsekretärin Ellen Ueberschär. Wozu auch gehört, kritische Gäste auszuhalten: So wird Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) auf einem Podium mit dem Großscheich der Kairoer Al-Azhar-Moschee, Ahmad Mohammad al-Tayyeb, über das Thema religiöse Toleranz diskutieren. Was pikant ist, denn al-Tayyeb hat sich zwar deutlich gegen die Terrormiliz Islamischer Staat positioniert, rechtfertigt aber immer wieder Selbstmordattentate gegen Israel. Und in einem „Zentrum Weltanschauungen“ treffen der Berliner Bischof Markus Dröge, die als scharfe Kritikerin der neurechten Szene geltende Juristin Liane Bednarz und die Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft „Christen in der AfD“, Anette Schultner, aufeinander.

Sie diskutieren die Frage, ob es für Christen überhaupt möglich ist, sich in der rechten Partei zu engagieren. Damit bezieht der evangelische Kirchentag eine andere Position als der Katholikentag im vergangenen Jahr in Leipzig, der grundsätzlich keine AfD-Vertreter auf seinen Podien duldete. „Es ist nicht sehr christlich, zu sagen, es gibt eine Gruppe von Menschen, mit denen reden wir überhaupt nicht“, sagte Kirchentagspräsidentin Aus der Au. Man sei nicht einer Meinung, suche aber das Gespräch. „Wir haben keine Angst.“

Doch in diesem Jahr findet der Kirchentag nicht nur in Berlin statt: In der Brandenburger Landeshauptstadt Potsdam beschäftigen sich die Christen mit dem Klimawandel und der Partnerschaft mit Polen. Und in einer ganzen Reihe von Städten Mitteldeutschlands, etwa in Dessau, Halle oder Leipzig, finden kleinere, regional geprägte „Kirchentage auf dem Weg“ statt.

Am Sonntag, 28. Mai, allerdings werden sich die Besucher aller dieser Events gemeinsam auf den Weg machen: Mit Sonderzügen im Zehn-Minuten-Takt fahren sie dann nach Wittenberg, um am historischen Ort, auf den Elbwiesen vor der Silhouette der Lutherstadt, den großen gemeinsamen Abschlussgottesdienst des Kirchentags zu feiern. In diesem wollen die Protestanten zugleich an das 500-jährige Jubiläum der Reformation erinnern.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort