Kommentar zum Verkehr der Zukunft Mobilität im Wandel

Meinung | Bonn · Der Stau hat die Region zunehmend im Griff. Doch große Lösungen wie neue Brücken wird es auf absehbare Zeit nicht geben. Nötig sind pragmatische Lösung, die auf das veränderte Mobilitätsverhalten der Menschen eingehen.

Heute ist wieder einer dieser Tage. Einer dieser Tage, an denen man sehr wahrscheinlich viel Lebenszeit im Stau auf der Straße vergeudet. Durch die Warnstreiks im öffentlichen Dienst fallen Busse und Bahnen aus, das Chaos in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis ist programmiert. Eine Extremsituation, gewiss. Doch der Stau hat die Region auch ohne Streik zunehmend im Griff. Hier eine Baustelle, dort ein Unfall: Schon kollabiert das System, zu Lasten von Mensch und Umwelt, zu Lasten des Wirtschaftsstandorts. Die Infrastruktur ist am Limit.

Seit Anfang der 90er Jahre ist die Region um 100 000 Einwohner gewachsen, 40 000 Firmen haben sich niedergelassen. Das Straßennetz aber ist mehr oder weniger auf dem Stand von damals geblieben. Und die Anreize, vom Auto auf andere Verkehrsmittel umzusteigen, sind nicht ausreichend. Politische Versäumnisse haben die Region in den Dauerstau fahren lassen.

Die Lage wird nicht besser, denn die Region wächst weiter. Der Entwurf des Bundesverkehrswegeplans verspricht für die wundgescheuerte Infrastruktur zwar hier und da Linderung, etwa durch das Verbreitern von Autobahnen. Große Lösungen wird es aber auf absehbare Zeit nicht geben. Sowohl die Rheinbrücke bei Niederkassel als auch die Südtangente, zusammen eine Milliarde Euro teuer, werden vor 2030 nicht gebaut. Wenn sie denn überhaupt kommen. Für die regionale Verkehrspolitik indes ist nichts so sexy wie diese Neubauträume.

Sie denkt groß, verheddert sich dann aber – vor allem beim Dauerbrenner Südtangente – im Klein-Klein ideologischer Grabenkämpfe. So geht der Blick verloren für pragmatische Lösungen, für Trends, für Innovationen. Kurzum: für Entwicklungen, die ein Eindämmen des Autoverkehrs möglich erscheinen lassen. Denn das Mobilitätsverhalten der Menschen verändert sich. Zunächst in den Städten. Immer mehr Pendler sind bereit, sich bei der Wahl des Verkehrsmittels – Auto, Rad, Bus, Bahn, Leihsysteme – den Verkehrsverhältnissen anzupassen.

So tickt insbesondere die junge urbane Generation, für die der Besitz eines Autos längst an Bedeutung eingebüßt hat. Auf diesen Wandel müssen Angebote, Preise und Infrastruktur viel stärker ausgerichtet werden. Das setzt zum Beispiel eine intelligente Vernetzung von Verkehrsträgern voraus. Da ist die Region noch Entwicklungsland, wie auch bei anderen modernen Instrumenten wie etwa dem Mobilitätsmanagement.

Wenn es um die Mobilität von morgen geht, dann darf man freilich auch den technischen Fortschritt nicht aus den Augen verlieren. Nimmt die Elektromobilität – eine Kaufprämie des Bundes hin oder her – zu, macht das die Städte sauberer und leiser. Doch E-Mobile werden nicht die entscheidende Innovation der nächsten Jahre sein. Denn das ist das selbstfahrende Auto.

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