Die CDU nach Thüringen Hat Annegret Kramp-Karrenbauer ihre Partei noch im Griff?

Berlin · Ein Wahlergebnis schüttelt die gesamte Republik durch: Nach dem Alleingang der Landes-CDU und ihres Vorsitzenden Mike Mohring in Thüringen stellt sich die Frage: Hat die CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ihre Partei noch im Griff?

 Für sie könnte es eng werden: Annegret Kramp-Karrenbauer.

Für sie könnte es eng werden: Annegret Kramp-Karrenbauer.

Foto: dpa/Christian Charisius

Ein Problem zieht um die halbe Welt. Von Erfurt über Berlin nach Straßburg und schließlich weiter nach Pretoria, Südafrika. Das Problem heißt: CDU-Thüringen mit ihrem Landesvorsitzenden Mike Mohring, jedenfalls aus Sicht von Annegret Kramp-Karrenbauer. Wenn sie nicht aufpasst, könnte daraus auch ein Problem für sie, die CDU-Bundesvorsitzende, werden. Ein Landesverband geht seinen Weg. Es riecht nach Meuterei.

Kramp-Karrenbauer ist da gerade zurück aus Straßburg, von der deutsch-französischen Parlamentsversammlung. Es ist später Montagabend. Die Bundeskanzlerin ist zu diesem Zeitpunkt mit einem Regierungs-Airbus der Luftwaffe noch eine Flugstunde vom Militärflughafen Pretoria-Waterkloof entfernt. Es ist der dritte Besuch von Angela Merkel nach 2007 und 2010 als deutsche Regierungschefin in Südafrika. Merkel hatte hier vor 13 Jahren noch Nelson Mandela getroffen, Vorkämpfer für Demokratie, Freiheits-, Menschen- und Bürgerrechte im einstigen Apartheids-Regime. Freiheit und Demokratie, das passt an einem Tag wie diesem. Denn Zuhause in Deutschland brennt gerade der Baum – gewissermaßen vor den Toren des Thüringer Waldes.

Kramp-Karrenbauer hat sich nach ihrer Rückkehr aus Straßburg noch ins Fernsehstudio fahren lassen. Klarheit soll her, jedenfalls mit den Worten und der Autorität ihres Amtes als CDU-Bundesvorsitzende. Die Republik soll wissen, dass Kramp-Karrenbauer sehr wohl versucht hat, ihre Landes-CDU auf Linie zu bringen. Immerhin habe sie die Thüringer Parteifreunde um Landeschef Mike Mohring dazu verdonnern können, dass diese keinen eigenen CDU-Kandidaten für die Wahl zum Ministerpräsident in Thüringen aufstellen. Zumindest diese Verabredung haben sie gehalten. FDP-Chef Christian Lindner, mit dem Kramp-Karrenbauer nach eigenen Worten in Kontakt stand, habe damit bei der Landes-FDP in Thüringen nicht durchdringen können. Jetzt sieht sich FDP-Chef Christian Lindner genötigt, im eigenen Parteivorstand die Vertrauensfrage zu stellen.

Das Wahlergebnis schüttelte die gesamte Republik durch: FDP und CDU wählten erstmals gemeinsam mit der sehr rechten thüringischen AfD den FDP-Landesvorsitzenden Thomas Kemmerich zum neuen Ministerpräsidenten. Ein Tabubruch. Tags darauf der Rücktritt Kemmerichs. Jetzt deutet einiges auf Neuwahlen hin, wie sie auch Kramp-Karrenbauer ins Gespräch gebracht hatte. Die CDU-Chefin kann nur vermelden, dass die Landes-CDU „ausdrücklich gegen Empfehlungen, Forderungen und Bitten“ der Bundespartei gehandelt habe.

Dass die Bundes-CDU „bitten“ muss, ist schon ein Vorgang an sich. Es klingt nach Kontrollverlust. Eine Zusammenarbeit mit der AfD wäre ein „Verstoß gegen die Beschlusslage der CDU Deutschlands – mit den entsprechenden Folgen“, schickt die Parteichefin eine unmissverständliche Warnung nach Erfurt. Kramp-Karrenbauer weiß, dass längst auch ihre Autorität als CDU-Chefin auf dem Spiel steht. Hat sie den eigenen Laden noch im Griff? Hat das Wort der Bundesvorsitzenden in den Ländern kein Gewicht mehr? Muss auch sie wie vor ihr Lindner bald die Vertrauensfrage im eigenen Vorstand stellen?

Die Kanzlerin auf Auslandsreise ist selbstredend informiert. Entgegen allen Gewohnheiten, wonach sie sich im Ausland nicht zur Innenpolitik äußert, bricht Merkel an diesem Donnerstagmorgen in Pretoria mit dieser Gepflogenheit. „Es war ein schlechter Tag für die Demokratie. Es war ein Tag, der mit den Werten und Überzeugungen der CDU gebrochen hat, und es muss jetzt alles getan werden, damit deutlich wird, dass das in keiner Weise mit dem, was die CDU denkt und tut, in Übereinstimmung gebracht werden kann. Daran wird in den nächsten Tagen zu arbeiten sein.“ Zu arbeiten sein… Klingt harmlos. Aber tatsächlich ist es eine unmissverständliche Warnung, auch an CDU-Landeschef Mohring: Wehe, wenn ich wieder Zuhause bin! Merkel ist klar aufgestellt: Die Wahl von Kemmerich ein „unverzeihlicher Vorgang“. Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Eckhardt Rehberg (CDU), fordert unterdessen den Rücktritt von Mohring.

„Mike Mohring ist nicht mehr zu halten. Die Thüringer CDU muss sich komplett neu aufstellen nach diesem Desaster“, sagte Rehberg unserer Redaktion. „Es kann nur einen Neuanfang ohne Mohring geben“, sagte der aus Mecklenburg-Vorpommern stammende CDU-Politiker.

Die CDU-Chefin aber wird von Rehberg gegen den Vorwurf in Schutz genommen, ihre Autorität reiche nicht aus, um widerspenstige Landesverbände auf Linie zu bringen. „Man muss den Stier gelegentlich bei den Hörnern packen. Das tut Frau Kramp-Karrenbauer jetzt“, so Rehberg. „Aber sie hat wenig Sanktionsmöglichkeiten gegenüber dem thüringischen Landesverband. Wenn ich da Leute habe, die sich der politischen Vernunft widersetzen, kann man dieses Problem nicht bei der Bundesvorsitzenden festmachen.“ Das Haus brennt. Für Freitag hat AKK das CDU-Präsidium nach Berlin einberufen. Sie braucht eine Klärung. Schnell.

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