"Kontraproduktiv!" Nahles gegen Leistungskürzungen für junge Hartz-IV-Bezieher

Berlin · Die SPD dringt schon länger darauf, die Sanktionen für Langzeitarbeitslose zu überprüfen. Die Parteichefin sieht aber noch mehr Nachbesserungsbedarf.

 Für SPD-Chefin Andrea Nahles, hier Anfang Juli, ist auch ein Bündnis mit der Linken eine Option.

Für SPD-Chefin Andrea Nahles, hier Anfang Juli, ist auch ein Bündnis mit der Linken eine Option.

Foto: Bernd von Jutrczenka

SPD-Chefin Andrea Nahles spricht sich für weitere Korrekturen an den Arbeitsmarktreformen des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) aus. Konkret nannte sie die Abschaffung von Sanktionen gegen jüngere Hartz-IV-Empfänger und eine Ausweitung des Schutzes durch die Arbeitslosenversicherung.

"Leistungskürzungen für jüngere Hartz-IV-Empfänger sollten abgeschafft werden", sagte Nahles den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Zwar sei nicht alles abzulehnen, was den Namen Hartz trage. "Aber wir müssen grundlegende Fragen stellen. Wie wirken denn überhaupt Sanktionen bei Jüngeren? Kontraproduktiv! Die melden sich nie wieder im Jobcenter, um einen Ausbildungsplatz zu suchen. Ergebnis sind ungelernte junge Erwachsene, die wir nicht mehr erreichen."

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) macht sich schon länger dafür stark, junge Hartz-IV-Empfänger bei Verstößen gegen die geltenden Regeln zumindest nicht härter zu bestrafen als ältere. Er hatte bereits im Frühjahr angekündigt, einzelne Bestimmungen zu prüfen. Rund drei Viertel der Sanktionen werden wegen Meldeversäumnissen verhängt. Die Regeln sehen vor, dass jungen Leuten bis 25 Jahren schon beim ersten Verstoß, der über ein Meldeversäumnis hinausgeht, die gesamte Leistung gesperrt werden kann.

Nahles wünscht sich darüber hinaus weitere Korrekturen. "Ich bin zum Beispiel dafür, den Schutz durch die Arbeitslosenversicherung zu verbreitern und zu verlängern", sagte die SPD-Chefin. "Es kann auch nicht sein, dass Familien mit Kindern dauerhaft auf Grundsicherung angewiesen sind. All das diskutieren wir."

Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I (ALG I), das anders als Hartz IV aus der Arbeitslosenversicherung bezahlt wird, war im Zuge der Arbeitsmarktreformen deutlich gekürzt worden. Heute gilt: Nach einer Beschäftigungszeit von einem Jahr gibt es 6 Monate ALG I, nach zwei Jahren 12 Monate. Ab einem Alter von 50 Jahren können Erwerbslose bei längeren Beschäftigungszeiten 15, 18 oder maximal 24 Monate (ab 58 Jahren) ALG I erhalten. Es beträgt 60 Prozent des im letzten Jahr vor der Arbeitslosigkeit verdienten Nettogehalts. Mit einem Kind sind es 67 Prozent.

Auf die Forderung des nordrhein-westfälischen SPD-Landesverbands, Hartz IV komplett abzuschaffen, reagierte Nahles zurückhaltend. Der Beitrag "fließt ein in die Debatten, die wir jetzt führen", sagte sie. "Das Thema, das die SPD aktuell anpackt, ist die Rente. Wir wollen, dass niemand Angst vor Altersarmut haben muss."

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