Soziales Nahles: Hartz IV für EU-Bürger erst nach fünf Jahren Arbeit

Berlin/Nürnberg · "Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme unterbinden, auch aus Selbstschutz" - diesem Kurs folgt SPD-Sozialministerin Nahles jetzt konsequent. Ihr Ressort legt einen Gesetzentwurf vor, der auf viele Migranten abschreckend wirken dürfte.

 Nahles hatte Ende Dezember angekündigt, den Sozialhilfe-Anspruch von EU-Ausländern per Gesetz zu beschränken.

Nahles hatte Ende Dezember angekündigt, den Sozialhilfe-Anspruch von EU-Ausländern per Gesetz zu beschränken.

Foto: Bernd von Jutrczenka

EU-Bürger sollen in Deutschland frühestens nach fünf Jahren Hartz IV oder Sozialhilfe bekommen können, wenn sie hier nicht arbeiten. Sobald sie einen Job haben, sollen sie nach dem Willen von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles auch Sozialleistungen erhalten.

Einen entsprechenden Gesetzentwurf verteidigte die SPD-Politikerin in Berlin. Dies sei keine Schlechterstellung im Vergleich zur derzeitigen Praxis, doch einige Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) hätten zuvor für Unklarheiten gesorgt.

Grundsätzlich soll damit eine Zuwanderung ins deutsche Sozialsystem unterbunden werden, unter anderem aus osteuropäischen EU-Staaten. CSU-Chef Horst Seehofer begrüßte den Vorstoß von Nahles. Nach ihren Worten vermeidet eine solche Reform auch "Verschiebebahnhöfe" zwischen Bund und Kommunen. Insgesamt handele es sich nur um wenige Fälle, die von dem Gesetz betroffen seien. Sie habe dieses Schlupfloch aber rechtzeitig schließen wollen, sagte Nahles. Ansonsten laufe man Gefahr, die Akzeptanz der Freizügigkeit in Europa, etwa auf dem Arbeitsmarkt, zu untergraben.

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) bezogen im Januar hierzulande knapp 440 000 Menschen aus anderen EU-Staaten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Polnische Staatsangehörige bildeten mit rund 92 000 Leistungsbeziehern die größte Gruppe, es folgten Italiener (71 000), Bulgaren (70 000), Rumänen (57 000) und Griechen (46 000).

Nicht alle dieser Menschen sind arbeitslos. Viele von ihnen sind Niedrigverdiener, die Lohn mit Sozialleistungen aufstockten. Mit 42 Prozent auffallend hoch ist der Anteil an "Aufstockern" bei Bulgaren und Rumänen.

Nahles hatte schon Ende Dezember auf eine BSG-Entscheidung zu Sozialleistungen für arbeitsuchende Zuwanderer aus EU-Staaten reagiert. Das Urteil schreibt vor, dass EU-Bürger bei einem Aufenthalt ab sechs Monaten in Deutschland Hilfen zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe beantragen können. Die Kommunen befürchteten erhebliche Mehrbelastungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich damals grundsätzlich hinter die Nahles-Pläne gestellt.

Seehofer sagte dazu der "Süddeutschen Zeitung" (Freitag), Nahles handele richtig. Es sei "erfreulich, dass Berlin jahrelange Forderungen der Bayern übernimmt", lobte der Ministerpräsident.

Hamburgs Bürgermeister, der stellvertretende SPD-Chef Olaf Scholz, begrüßte die Nahles-Pläne ebenfalls. Die Freizügigkeit der EU-Arbeitnehmer beinhalte zwar das Recht, überall in der EU eine Arbeit aufzunehmen, sagte Scholz. "Sie beinhaltet aber nicht das Recht, den Ort der Sozialhilfe frei zu wählen."

Der Linke-Bundestagsabgeordnete Jan Korte kritisierte hingegen: "Wenn man meint, die SPD sei schon ganz unten angekommen, kommt die Ex-Parteilinke Nahles und sortiert EU-Bürger in gute und schlechte." Er fügte hinzu: "Wer Europa positiv denkt, muss europäische Lösungen entwickeln, statt sich national abzuschotten."

Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, sagte: "Es ist gut und die Städte sind erleichtert, dass die Bundesregierung den Anspruch von EU-Bürgern auf Sozialleistungen in Deutschland neu regeln will. Das neue Gesetz wird nach dem, was bisher bekannt ist, Rechtssicherheit schaffen und erhebliche finanzielle Belastungen der Städte durch zusätzliche Sozialleistungen abwenden." Das Gesetz sei auch nötig, um Fehlanreize für Zuwanderer aus anderen europäischen Mitgliedsstaaten zu vermeiden.

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