Silvesternacht in Köln NRW-Landtag: Krafts 15 Punkte für mehr Sicherheit

Düsseldorf · So deutlich wie Norbert Römer wurde am Donnerstag bei der Landtagssondersitzung zu den Vorfällen in der Kölner Silvesternacht niemand: "Die Polizei hat als Behörde versagt, und mit ihr hat unser Staat versagt, dessen allererste Aufgabe es ist, die Sicherheit und Freiheit aller Menschen zu schützen."

Der Staat habe versagt, formulierte Römer, der SPD-Fraktionsvorsitzende - wohlgemerkt der Chef einer Regierungsfraktion. Einen solchen Satz hatte zuvor selbst Oppositionsführer Armin Laschet (CDU) nicht über die Lippen gebracht.

FDP-Fraktionschef Christian Lindner nahm die Steilvorlage Römers auf und setzte den naheliegenden Satz hinterher: "Wenn der Staat versagt, hat auch der Innenminister versagt." Das sei eine indirekte Rücktrittsforderung an Innenminister Ralf Jäger (SPD) gewesen.

Gelächter bei FDP und CDU. Beide Fraktionen hatten die Sitzung vor allem beantragt, um Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) in der Diskussion um die Vorfälle in Köln unter Druck zu setzen. Die Landesregierung hatte nämlich vorgehabt, sich erst am 27. Januar im Parlament zu äußern, wie Landtagspräsidentin Carina Gödecke (SPD) mitteilte.

Nun also musste Kraft schon am Donnerstag im Landtag Rede und Antwort stehen - anstatt, wie geplant, in einer Pressekonferenz ihr Programm für 2016 zu präsentieren.

"Ich sage deutlich: Es lag in unserer Verantwortung und es tut mir persönlich und uns allen leid, unendlich leid, dass dieses geschehen konnte", begann sie ihre Rede. Es sei der schlimme Eindruck entstanden, dass der Staat das Heft des Handelns für ein paar Stunden verloren habe. Mit der Fehleranalyse aber wollte sie sich danach nicht länger aufhalten und präsentierte ein 15-Punkte-Programm.

500 Polizisten mehr und schnellere Strafverfahren

So soll es künftig 500 Polizisten mehr und schnellere Strafverfahren geben. Ausscheidende Beamte würden gebeten, freiwillig länger im Dienst zu bleiben. Polizisten sollen von Verwaltungstätigkeit entlastet und NRW-Einsatzhundertschaften nicht länger über bestehende Vereinbarungen hinaus in anderen Bundesländern eingesetzt werden.

Mehr Überwachung an Brennpunkten

An Kriminalitätsbrennpunkten wie den Kölner Ringen würden mehr Videokameras aufgestellt und spezielle Ermittlerteams eingesetzt. Und in Großstädten soll es künftig Sicherheitskonferenzen geben.

CDU und FDP kam vieles bekannt vor, hatten sie doch in den vergangenen Jahren viele dieser Maßnahmen - erfolglos - in Initiativen im Landtag gefordert.

Trotzdem zeigte sich Laschet von dem Paket nicht überzeugt, sondern sprach von einer "Bankrotterklärung von fünf Jahren Innenpolitik in Nordrhein-Westfalen". Wenn Kraft es ernst meine mit dem Kurswechsel in der Inneren Sicherheit, müsse sie Polizisten Body-Cams (also kleine an der Uniform befestigte Kameras) und Instrumente der Schleierfahndung (verdachtsunabhängige Personenkontrollen) erlauben.

"Jäger fehle es an politischem Anstand"

Doch glaubwürdig sei all das dann auch nur, wenn die Ministerpräsidentin einen neuen Innenminister berufe. Jäger fehle es an politischem Anstand, er drücke seine Verantwortung als Ressortchef nach unten weg und habe sich bei den betroffenen Frauen immer noch nicht entschuldigt.

Innenminister Jäger zu Rücktritt aufgefordert

Laschet erinnerte an Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU), der 1993 nach einem schiefgegangenen GSG9-Einsatz gegen RAF-Terroristen im mecklenburgischen Bad Kleinen die politische Verantwortung übernommen hatte und zurückgetreten war. An Jäger gerichtet sagte er: "Nehmen Sie sich ein Beispiel an einem solch honorigen Minister." Direkter war nur Piraten-Fraktionschef Michele Marsching: "Ich fordere Sie klipp und klar auf: Treten Sie zurück!"

Das tat Jäger zwar nicht, aber erstmals wandte er sich am Schluss der Debatte mit versöhnlichen Worten an die Frauen, die in Köln von Männern aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum umzingelt, begrapscht, sexuell belästigt und ausgeraubt wurden.

"Ich möchte mich für die Fehler, die die Polizei am Silvesterabend gemacht hat, bei den Opfern entschuldigen", sagte Jäger. Was den Frauen passiert sei, "tut mir aufrichtig und unendlich leid". Seine Aufgabe sehe er darin, dafür zu sorgen, dass sich solche Vorfälle nicht wiederholten. Wenn Kraft ihn lässt.

Ob es ein Alarmzeichen für Jäger ist, dass die Ministerpräsidentin in ihrer 30-minütigen Rede keine lobenden Worte für ihn fand?

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