Massive Finanzprobleme drohen NRW-Städte fordern Rettungsschirm in der Corona-Krise

Düsseldorf · Durch wegbrechende Steuereinnahmen und weiterlaufende Kosten werden die Kommunen in Nordrhein-Westfalen mit sechs Milliarden Euro belastet. Der Ruf nach einem Rettungsschirm wird laut.

 Ford-Werk in Köln: „Kommunen, die an der Automobilindustrie hängen, spüren den Einbruch massiv“.

Ford-Werk in Köln: „Kommunen, die an der Automobilindustrie hängen, spüren den Einbruch massiv“.

Foto: picture alliance/dpa/Oliver Berg

Der Städte- und Gemeindebund in Nordrhein-Westfalen schlägt angesichts der Corona-Pandemie Alarm. Präsident Roland Schäfer, der zugleich Bürgermeister von Bergkamen ist, sagte unserer Redaktion: „Die Kommunen haben in den vergangenen Jahren massive Anstrengungen unternommen, um aus der Haushaltssicherung herauszukommen.“ Seiner Stadt sei dies geglückt. „Die jetzige Situation durch das Coronavirus verändert aber die Lage.“

So liegen im Rathaus bereits zahlreiche Anträge auf Stundung von Gewerbesteuervorauszahlungen vor. „Denen kommen wir in dieser Ausnahmesituation natürlich auch nach“, sagt Schäfer. Die Gewerbesteuer zählt neben der Grundsteuer zu den wichtigsten direkten Einnahmequellen der Kommunen (siehe Infokasten). „Auf die Kommunen rollt im Mai eine gewaltige Rückzahlungswelle zu. Die wegbrechenden Steuern und höhere Sozialkosten werden im Folgejahr mit voller Wucht zu spüren sein.“ Im kulturellen Bereich brechen die Einnahmen weg, aber die Kosten – etwa für die Miete und das Personal – liefen ja weiter. „Betriebsbedingte Kündigungen wollen wir nicht, und auch Kurzarbeit spielt zumindest zum jetzigen Zeitpunkt keine Rolle“, so Schäfer.

Dabei rüsten sich die Städte schon genau für dieses Instrument. Der kommunale Arbeitgeberverband VKA hat bereits mit der Dienstleistungsgwerkschaft Verdi und dem Deutschen Beamtenbund Verhandlungen zum Thema Kurzarbeit aufgenommen. Die Corona-Krise treffe insbesondere Flughäfen sowie Nahverkehrsbetriebe., aber auch Sparkassen, Versorgungsbetriebe, Kulturbetriebe sowie weitere kommunale Leistungen wie Bäder, Bibliotheken, Musikschulen und dergleichen, sagte VKA-Präsident Ulrich Mädge. Verdi-Chef Frank Werneke hat bereits signalisiert, dass es ihm um eine auf die Zeit der Krise befristete Lösung gehe, bei der die Kommunen das Kurzarbeitergeld aufstockten und zugleich betriebsbedingte Kündigungen ausschließen sollen.

Sorge vor massiven Gewerbesteuereinbußen

Derweil sind besonders Städte mit ortsansässigen Industriebetrieben in Sorge vor dem drohenden Wegfall bei der Gewerbesteuer. „Vor allem Kommunen die an der Automobilindustrie hängen, spüren den Einbruch massiv“, sagt NRW-Städtebund-Präsident Schäfer. Aber nicht nur die: „Da man davon ausgehen kann, dass krisenbedingt die Einkommen- und Mehrwertsteuer sinken wird, bereiten wir uns jetzt schon darauf vor, wieder in die Haushaltssicherung zu gehen. In NRW werden wir es flächendeckend erleben, dass Kommunen Haushaltssperren erlassen müssen oder in die Haushaltssicherung gehen.“

Kommunen in der Haushaltssicherung müssen regelmäßig nachhalten, wie sie zu einem ausgeglichenen Haushalt zurückkehren wollen. Ausgaben werden strengstens von der Kommunalaufsicht überwacht. In der Praxis sind das Einschränkungen, die auch recht schnell bei den Bürgern ankommen: „Zahlreiche Leistungen stehen dann auf der Kippe, angefangen beim Schwimmbad bis zu sozialen Hilfen oder Förderprogrammen für die Wirtschaft“, sagt Schäfer.

Szenario der Finanzkrise von 2008 droht

Für seine Stadt Bergkamen rechnet er mit Belastungen in Höhe eines einstelligen Millionenbetrags. „Aktuell müssen wir mit stärkeren Auswirkungen als in der Finanz- und Wirtschaftskrise rechnen, als der Rückgang rund 20 Prozent betrug.“ Damals brachen laut Städte- und Gemeindebund bundesweit allein 8,5 Milliarden Euro an Gewerbesteuereinnahmen weg. „Die gesamten Belastungen, denen wir jetzt in NRW entgegensehen, könnten sich auf bis zu fünf oder sechs Milliarden Euro summieren“, so Schäfer. Es sei richtig, dass die Politik jetzt zunächst die Wirtschaft in den Fokus ihrer Rettungsmaßnahmen gerückt habe, sagt Schäfer, „aber sie darf die Kommunen nicht vergessen.“

Die für Kommunales zuständige nordrhein-westfälische Ministerin Ina Scharrenbach (CDU) sagte unserer Redaktion, die Landesregierung habe in der aktuellen Krise die Aufgabe, die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Bürger, auf Unternehmen, aber auch auf die öffentlichen Haushalte und dabei auch auf die Kommunen zu klären. „Wir prüfen derzeit, wie wir die Corona-bedingten Schäden in den kommunalen Haushalten isolieren können. Wir stehen vor der Herausforderung, dass wir dafür Sorge tragen müssen, die öffentliche Infrastruktur wie beispielsweise Flughäfen, Bäder, Theater, Museen, Kindertageseinrichtungen und so weiter für die Zeit nach der Krise nachhaltig zu sichern.“ Dies betreffe auch die kommunalen Haushalte.

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