Großereignisse in der Eifel Nürburgring in der Schwebe

NÜRBURG · Sie gehörten für Jahrzehnte zur Eifel wie Maria Laach, der Mayener Schiefer, die Maare und der Nebel im Herbst - das Festival "Rock am Ring" und der Formel-1-Grand-Prix. In diesem Jahr finden bekanntlich beide Großereignisse nicht am Ring statt. Ein Ort in der Schwebe.

Vor einer Fahrt über die legendäre Nordschleife: Die rheinland-pfälzische CDU-Landesvorsitzende Julia Klöckner mit ihrem Chauffeur, dem Unternehmer und Motorsportler Alexander Kolb.

Vor einer Fahrt über die legendäre Nordschleife: Die rheinland-pfälzische CDU-Landesvorsitzende Julia Klöckner mit ihrem Chauffeur, dem Unternehmer und Motorsportler Alexander Kolb.

Foto: dpa

Das Ende dieser Traditionen haben in den vergangenen Monaten viele Rock- und Motorsport-Fans bedauert. Dass dies aber für viele Menschen in der Eifel auch bedeutende negative wirtschaftliche Folgen hat, das machten gestern einige Geschäftsleute deutlich.

Einer von ihnen ist Frank Hiersekorn. Seit elf Jahren führt er das Hotel Altes Forsthaus zwischen Nürburg und Rennstrecke. "Rock am Ring" habe bisher 17 bis 18 Prozent des Jahresumsatzes gebracht, die Formel 1, die jeweils in den ungeraden Jahren in der Eifel gastierte, rund 20 Prozent, sagt Hiersekorn. Für dieses Jahr rechne er daher mit einem Minderumsatz von knapp 40 Prozent. Von Kollegen wisse er, dass sie Umsatzrückgänge zwischen 15 und ebenfalls 40 Prozent befürchteten.

Noch konkreter macht es Ursula Schmitz, Chefin des Hotels am Tiergarten mitten in Nürburg. "Ich habe in diesem Jahr voraussichtlich 100.000 Euro weniger Umsatz. Wahrscheinlich muss ich im Winter erstmals Mitarbeiter entlassen." Die Verluste der Hoteliers, Pensions- und Gaststättenbetreiber ziehen weitere Probleme nach sich. Normalerweise würde sie sich im Winter um neue Fenster und andere Instandsetzungsarbeiten kümmern, sagt Schmitz. Das aber sei diesmal nicht möglich. "Also leiden auch die Handwerker und deren Familien unter dem Verlust der Großereignisse."

Ursula Schmitz und Frank Hiersekorn berichten über ihre Sorgen in einer Runde mit der rheinland-pfälzischen CDU-Landeschefin Julia Klöckner, die an diesem Freitag für vier Stunden an den Ring gekommen ist und vor allem zuhören will, wie sie sagt. Schmitz und Hiersekorn sind nicht die einzigen mit sorgenvollen Mienen. "Es ist in den letzten Jahren immer schlimmer gekommen, als wir uns das vorstellen konnten", sagt Andrea Thelen, die Vorsitzende des Gewerbevereins Adenau.

Was ist nicht alles schief gelaufen: Dass das Land einen überdimensionierten Freizeitpark plante, diesen nicht privat finanzieren konnte, so dass das Land mit fast 500 Millionen Euro Steuergeld einspringen musste, dass zwei windige Unternehmer als Pächter installiert wurden, dann die Insolvenz der Ring-Besitzgesellschaft, der Verkauf an einen Mittelständler, der nicht eine Rate bezahlen konnte und zum Schluss der Einstieg eines russischen Oligarchen, von dem offenbar niemand so recht weiß, was er am Ring vorhat. "Wir hören, dass er sich in der Lern- und Sammelphase befindet", sagt Andrea Thelen.

Ohnehin befindet sich der Nürburgring in einer "Schwebesituation", wie Klöckner sagt. Weil er noch nicht den vollen Kaufpreis bezahlt hat, ist Investor Viktor Charitonin derzeit nur Pächter. Zudem drohen Klagen gegen den Verkauf des Rings und den Einstieg des russischen Pharmaunternehmers. Politiker in Mainz gehen davon aus, dass die US-Firma Nexovation, eines der unterlegenen Unternehmen im Bieterverfahren, gegen die Entscheidung der EU, dass der Verkauf rechtmäßig war, vor Gericht ziehen werde. Auch der Verein "Ja zum Nürburgring" überlegt, ob er auf eine Klage setzt.

Aus Sicht von Alexander Böhm keine Situation für weitreichende Investitionsentscheidungen. "Als wir vor zehn Jahren hier begonnen haben, haben wir auf ein Kulturgut gesetzt, eine Strecke in öffentlicher Hand", sagt der 46-jährige Geschäftsführer des Rennstalls Black Falcon mit 25 festangestellten Mitarbeitern, "doch jetzt sorgen wir uns darum, ob unser Geschäftsmodell noch eine Zukunft hat." Böhm vermietet zum Beispiel Rennwagen an Fahrer, testet auf dem Ring Neuentwicklungen für die Automobilindustrie und hat einen Werkstattbetrieb für Rennwagen im Gewerbepark in Meuspath gleich am Ring.

Sechs Millionen hat er dort schon investiert, weitere sollen noch folgen, doch er spüre "einen Trend weg vom Rennsport". Gerade die Zukunft der Touristenfahrten - bisher ein einträgliches Geschäft - sei nicht klar. "Früher war man ein Held, wenn man über die Nordschleife gefahren ist, heute bringt man die Strecke mit Querelen in Verbindung", sagt Böhm. Dadurch kämen immer weniger Rennsportbegeisterte. Zudem müsste dringend in die Rennstrecke investiert werden, heißt es.

Eines der Großereignisse, das noch am Ring stattfindet, ist am nächsten Wochenende das traditionell vom ADAC veranstaltete 24-Stunden-Rennen. "Wir sind froh, dass der ADAC noch seine Rennen hier macht", sagt Nürburgs Bürgermeister Reinhold Schüssler. Doch ein Abwärtstrend ist auch hier zu verzeichnen. So gab es früher rund 240 Nennungen, diesmal nur 160. Auch bei der VLN-Langstreckenmeisterschaft gingen die Teilnehmerzahlen zurück. Er fürchte, dass die Verantwortlichen am Ring weiter an der Preisschraube drehen, sagt Schüssler - mit negativen Folgen für die Region. Und so reiht sich der Bürgermeister in die Gruppe der sorgenvollen Bürger ein.

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