Jan van Rossum Oberstaatsanwalt half beim Aufbau der Justiz im Osten

BONN · Es war ein Arbeitstag wie viele andere in der Abteilung für Kapitalverbrechen bei der Bonner Staatsanwaltschaft gewesen, als sich Staatsanwalt Jan van Rossum am Abend des 9. November 1989 in seiner Südstadtwohnung vor den Fernseher setzte, um die Nachrichten zu sehen.

 Half nach dem Mauerfall beim Aufbau der Justiz im Osten: Jan van Rossum.

Half nach dem Mauerfall beim Aufbau der Justiz im Osten: Jan van Rossum.

Foto: Rita Klein

Und dann kam sie, die eine Nachricht, die auch sein Leben verändern sollte. Aber das ahnte der heute 65-Jährige nicht, als er von der Reisefreiheit für DDR-Bürger hörte. Nur eines, so sagt er, habe er schon geahnt: "Das ist das einschneidendste Ereignis seit dem Zweiten Weltkrieg." Überwältigt wie so viele sah er, wie die Grenze fiel, und Menschen aus Ost und West sich in die Arme fielen: "Diese Bilder haben sich eingeprägt."

Er selbst hatte als Kind des Rheinlands keinen persönlichen Bezug zur DDR, war noch nie dort gewesen - und gewann doch wenig später tiefere Einblicke in dessen Unrechtssystem als mancher DDR-Bürger selbst. Denn 1992 war van Rossum einer von vielen bundesdeutschen Staatsanwälten und Richtern, die in den Osten gingen, um beim Aufbau einer rechtsstaatlichen Justiz zu helfen. Und die, die Unrecht getan hatten, vor Gericht zu bringen. Ein Jahr sollte die Aufbauhilfe in Brandenburg eigentlich dauern, es wurden fünf daraus.

Van Rossum klagte Mauerschützen an, ermittelte in Tausenden von Fällen wegen Rechtsbeugung, las unzählige Akten der Stasi. Und sprach mit DDR-Bürgern wie Wolf Biermann und Gregor Gysi als Zeugen im Verfahren gegen die Staatsanwälte und Richter, die den prominenten Regimekritiker Robert Havemann nach einem zuvor verfassten Drehbuch angeklagt und verurteilt hatten.

Das Ergebnis stand vorher fest, so van Rossum. Nichts überließ die Stasi dem Zufall: Das Publikum im Havemann-Prozess, das die Öffentlichkeit repräsentieren sollte, bestand in Wahrheit aus ausgewählten Stasimitarbeitern. Und um den vielen westdeutschen Pressevertretern vor dem Gerichtsgebäude keine Chance für Mitschnitte zu geben, waren eigens Straßenarbeiter mit Pressluftgeräten aufgestellt worden.

Als Jan van Rossum 1997 zurückkam nach Bonn, hatte er eine Erkenntnis im Gepäck, die sein weiteres Arbeitsleben prägte, wie er sagt: "Die DDR-Geschichte hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, sauber zu Arbeiten und genau hinzugucken." Das Schlimmste für ihn sei das Leid der Menschen gewesen, die bespitzelt, gequält und und ihrer Freiheit beraubt worden seien. Das habe er auch während der folgenden Jahre als Vizechef der Bonner Staatsanwaltschaft und bis zur kürzlichen Pensionierung als stellvertretender Generalstaatsanwalt nie vergessen.

Sein persönliches Fazit des Mauerfalls steht für ihn seit langem fest: "Das hat mein Leben verändert."

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