Vertrauensverlust im Osten Opaschowski: Sondierung hat Ansehen der Politik geschadet

Hamburg · Kompromisse und Koalitionen fallen der Politik nicht immer leicht. Haben die schließlich gescheiterten Jamaika-Sondierungen dem Ansehen der Politiker geschadet? Zukunftsforscher Opaschowski kritisiert besonders die Berliner "Balkonszenen".

 "Das Medienspektakel machte die Wähler zu Zuschauern", kritisiert Horst Opaschowski.

"Das Medienspektakel machte die Wähler zu Zuschauern", kritisiert Horst Opaschowski.

Foto: Kay Nietfeld

Der Verlauf der Sondierungsgespräche über eine Jamaika-Koalition hat nach Einschätzung des Zukunftsforschers Horst Opaschowski (76) die Politikerverdrossenheit in der Bevölkerung verstärkt.

In einer aktuellen repräsentativen Umfrage hätten 56 Prozent der Befragten der Aussage zugestimmt: "Die Politiker sind den Herausforderungen der Zeit immer weniger gewachsen." Vor einem Jahr hätten dies in der gemeinsamen Befragung mit dem Hamburger Ipsos-Institut nur 47 Prozent so gesehen.

Bei seiner alljährlichen Studie habe er noch nie eine so dramatische Veränderung in dieser Frage gesehen. "Das ist ein Temperatursturz von fast zehn Prozentpunkten", sagte der Zukunftsforscher. Den größten Vertrauensverlust gebe es in der ostdeutschen Bevölkerung. 62 Prozent - und damit 12 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr - trauten den Politikern nur noch wenig zu. Unter den Westdeutschen sind es 54 Prozent, acht Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.

Als das Aus für die Jamaika-Verhandlungen am 20. November bekannt wurde, hatte die Umfrage bereits begonnen. Opaschowski glaubt dennoch, dass sich der Verlauf der Gespräche auf die Umfrage-Ergebnissen auswirkte.

Zur Erklärung hob er besonders die Auftritte der Unterhändler auf dem Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin hervor. "Die Balkonszenen während der Sondierungsgespräche waren geradezu bühnenreif", meinte Opaschowski. "Das Medienspektakel machte die Wähler zu Zuschauern." Den Bürgern habe sich ein Schauspiel geboten, in dem es dem Anschein nach mehr um den Machterhalt der Parteien ging als um das Wohl der Wähler. "Vor diesem Hintergrund braucht man sich nicht zu wundern, wenn Volksparteien zunehmend an Rückhalt in der Bevölkerung verlieren", sagte der Wissenschaftler.

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