Haushalt, Recht und Tourismus Personalauswahl für Spitzenposten bei AfD schwierig

Berlin · Die Personalauswahl der AfD für parlamentarische Spitzenposten gestaltet sich schwierig. Das liegt nicht zuletzt am Hintergrund der Kandidaten. Unter anderem reagiert die Reisebranche irritiert.

 Der rheinland-pfälzische AfD-Politiker Sebastian Münzenmaier.

Der rheinland-pfälzische AfD-Politiker Sebastian Münzenmaier.

Foto: dpa

Die AfD-Fraktion im Bundestag hat ganz offenkundig ein Honigtopfproblem: Egal, welche Personen für herausragende Posten im Bundestag vorgesehen werden, irgendwie scheinen sie immer klebrig zu sein. Der Kandidat für den Vizepräsidentenposten fiel deswegen durch, auch der Nominierte für das Parlamentarische Kontrollgremium. Und bei den drei nominierten Ausschussvorsitzenden schwingen bei den übrigen Fraktionen ebenfalls gleich wieder so viele Zweifel mit, dass sie möglicherweise nicht alle ans Ruder kommen.

Tatsächlich werden die Chefs der Fachausschüsse nicht gewählt, sondern „bestimmt“. Damit wird die bisherige Praxis umschrieben, wonach die Parlamentarischen Geschäftsführer untereinander klärten, für welche Ausschüsse den einzelnen Fraktionen der Vorsitz „zusteht“. Deren Personalentscheidung wird dann im Rahmen der Konstituierung der Ausschüsse von den anderen akzeptiert. Das könnte dieses Mal anders sein.

Dabei hatten sich die anderen Fraktionen darauf verständigt, nur ja keine neuen Märtyrergefühle der AfD aufkommen zu lassen. Deshalb wollten sie der AfD als größter Oppositionsfraktion der Tradition entsprechend den Vorsitz im mit Abstand wichtigsten Haushaltsausschuss überlassen. Das ist das Gremium, in dem jeder Minister vortanzen muss, jeder Posten jedes Einzelhaushaltes untersucht, verändert oder verworfen wird. Jeder Vorsitzende ist zwar zur überparteilichen Sitzungsleitung verpflichtet, aber er kann bei Fragerunden stets als erster loslegen und eine Richtung vorgeben.

Außerdem ist sein Amt mit einem persönlichen Mitarbeiterstab nach innen und besonderem Renommee nach außen ausgestattet. Es macht in der nationalen wie internationalen Berichterstattung einen großen Unterschied, ob sich zu einem heiß diskutierten Vorgang ein einfacher Abgeordneter zu Wort meldet oder der Vorsitzende des in der Sache zuständigen Parlamentsausschusses. Er gilt automatisch als besonders informiert und kompetent.

AfD zuständig für Haushalt, Recht und Tourismus

AfD-Politiker werden dies künftig in Fragen des Haushaltes, des Rechts und des Tourismus tun können. Die AfD „zog“ diese drei Vorsitze. Im Handumdrehen wurden Kritiker bei den dafür nominierten Personen fündig. Peter Boehringer als Chef des wichtigsten Haushaltsausschusses ist auf den ersten Blick ein herausragender Finanzexperte. Er besitzt einen Abschluss der European Business School und hat nach seiner Berufung sogleich verkündet, seine neue „Riesenaufgabe“ diplomatisch angehen zu wollen.

Doch im Netz hinterließ er zugleich eine Spur als Anhänger von Verschwörungstheorien, denen zufolge ein geheimes Netzwerk nach Weltherrschaft strebe. Das Wort „Umvolkung“ kommt ihm im Zusammenhang mit Flüchtlingen in den Sinn, und nach NDR-Informationen pflegt er in E-Mails eine noch drastischere Ausdrucksweise, fällt über „Surensöhne“ her und beschimpft die Kanzlerin als „Merkelnutte“. Nun will er also diplomatisch werden.

Irritiert reagierte die Reisebranche auf die Berufung des rheinland-pfälzischen AfD-Politikers Sebastian Münzenmaier zum Tourismusausschuss-Vorsitzenden. Keine andere Branche sei internationaler und multikultureller. Und nun ist einer an der Spitze des zuständigen Parlamentsgremiums, der seine politische Karriere ganz rechts bei der islamfeindlichen, vom Verfassungsschutz beobachteten Partei „Die Freiheit“ startete. Die Bundestagssportler wollen ihn nicht mitkicken lassen, weil sie ihn für einen Schläger halten: Er soll daran mitgewirkt haben, mit Kaiserslauterner Hooligans Fans des Mainz 05 zu verprügeln. Gegen das Urteil (sechs Monate auf Bewährung und 10.000 Euro Strafe) haben sowohl er als auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt.

Als Rechtsanwalt passt auch der für den Vorsitz des Rechtsausschusses nominierte Stephan Brandner fachlich gut zum Amt. Doch bei ihm tun sich besonders viele Zweifel auf. Machte er im Thüringer Landtag doch vor allem durch Hetze auf sich aufmerksam und kassierte fast drei Dutzend Ordnungsrufe. Die Kanzlerin will er „einknasten“ und eine syrische Familie definiert er als „Vater, Mutter und zwei Ziegen“. Auch sein neues parlamentarisches Amt will er so ausüben, dass er dabei nicht zum „politischen Eunuchen“ wird.

Ob die anderen Abgeordneten alle drei Nominierten sang- und klanglos akzeptieren, ist derzeit fraglich. Selbst dem früheren Leitenden Oberstaatsanwalt Roman Reusch fehlten die Stimmen für die eigentlich fest verabredete Wahl eines AfD-Vertreters ins Parlamentarische Kontrollgremium. Er sah Deutschland in 20 Jahren von einer „nichtdeutschen Mehrheit besiedelt“. Zuvor hatte es schon Albrecht Glaser von der AfD nicht geschafft, Bundestagsvizepräsident zu werden. Er hatte dem Islam Religionsrechte aberkannt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Auf Verschleiß
Kommentar zu Überstunden bei der Polizei Auf Verschleiß