Petersburger Dialog in Königswinter Außenminister sprechen über Streitthemen

Königswinter · Außenminister Heiko Maas und sein russischer Kollege Sergej Lawrow haben auf dem Petersberg die Notwendigkeit für die Zusammenarbeit beider Länder bekräftigt. Über Probleme kann das nicht hinwegtäuschen.

Es ist fast wie früher in der „Bonner Republik“, als regelmäßig Kolonnen aus schwarzen Fahrzeugen mit verdunkelten Scheiben die Staatsgäste auf den Petersberg chauffierten. Die Schranke bleibt zwar oben. Aber schon an der Auffahrt zur 336 Meter hohen Erhebung über Königswinter stoppen zahlreiche Polizisten jedes Auto, das an diesem Donnerstag auf die Serpentinenstraße abbiegen will. Die rund 300 Teilnehmer am 18. Petersburger Dialog, der in dem Luxushotel tagt, erhalten natürlich Einlass. Oben das gleiche Bild: Überall wachen Polizisten über die Sicherheit der Gäste. Und vor dem neobarocken Gebäudekomplex stehen schwarze Staatskarossen mit Berliner, Düsseldorfer und anderen Kennzeichen.

Seit 2001 gibt es den Petersburger Dialog, aber in Nordrhein-Westfalen tagt er zum ersten Mal. „Ich habe sehr darum geworben, dass er zu uns kommt, dass er auch hier auf den Petersberg kommt, und dass man den UN-Standort Bonn und die Internationalität nutzt, um Gespräche wieder in Gang zu setzen, die ins Stocken geraten sind“, sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet dem General-Anzeiger kurz vor Beginn des deutsch-russischen Diskussionsforums. Die Hektik einer Hauptstadt sei etwas anderes als die Konferenzatmosphäre hier. Und es gebe immer wieder Konflikte, die auch eine intensivere Dialogform und gegenseitiges Kennenlernen benötigten – dafür sei der Petersberg einfach geeignet.

Als gutes Signal wertet der CDU-Politiker, dass die beiden Außenminister nach sechs Jahren wieder dabei sind. Auch Laschet selbst traf den russischen Amtsinhaber Sergej Lawrow und sprach mit ihm über die Beziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und Russland, bei der Wissenschaft, bei der Kultur und bei der Energieversorgung, wo Russland ein wichtiger Partner sei. „Aber ich glaube, wir brauchen mehr Felder, wo wir Gemeinsamkeiten definieren. Dazu gibt es hier die Chance“, fügte er hinzu.

Am Ende gibt es kurz eine chaotische Situation

Gemeinsames und Trennendes sind auch Themen bei der gemeinsamen Pressekonferenz von Lawrow und Bundesaußenminister Heiko Maas. Erst am Ende gibt es eine kurze chaotische Situation. Lawrow ist aufgefallen, dass kein mitgereister russischer Reporter eine Frage gestellt hat. Er hoffe nicht, dass das Schweigen der russischen Journalisten als Zeichen eingeschränkter Redefreiheit in Russland gewertet werde. Prompt schnellen einige Arme nach oben, Stimmengewirr, Fragen werden in den Raum gerufen. Aber die Zeit ist abgelaufen. Lawrow und Maas verlassen den Raum.

Zuvor hatten die beiden Außenminister sich einmal quer über die weltweiten Krisenherde und politischen Themenfelder bewegt. Über den mal stärker, mal weniger stark glimmenden Konflikt in der Ostukraine, das iranische Atomprogramm, die drohende atomare Wiederaufrüstung nach der Kündigung des INF-Vertrags durch die USA, Syrien oder auch die Wahl Ursula von der Leyens zur EU-Kommissionschefin. Die Botschaft: Russen und Deutsche sehen sich als Akteure der Weltpolitik, wollen nicht abseits stehen.

Aber an einem Strang ziehen? Schnell ist klar, dass es in der Bewertung der Vorgänge mehr Unterschiede gibt als Gemeinsamkeiten. Die Gespräche seien auf der politischen Ebene „durchaus schwierig“, meint Maas. Man wolle aber „so gut zusammenarbeiten, dass wir Lösungen Schritt für Schritt näherkommen“. Immerhin sei das persönliche Verhältnis zwischen ihm und Lawrow unbelastet: „Ich weiß nicht, ob wir eine Annäherung brauchen“, so Maas unter Verweis auf zahlreiche Treffen und Telefonate. Aber Daten für neue deutsch-russische Gipfeltreffen sind nicht in Sicht.

Konfliktherde: Ukraine und Annektierung der Krim

Die größten deutsch-russischen Konfliktherde sind und bleiben die Ukraine, die Annektierung der Krim und der Krieg im Donbas. Die Fortschritte hier sind so klein, dass es den Außenministern schwer fällt, sie zu benennen. Immerhin, in einer umstrittenen Region habe es Fortschritte bei der Truppenentflechtung gegeben, so Maas. Und Lawrow spricht von Signalen des neugewählten ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, die positiv zu bewerten seien. Der wundeste Punkt zwischen beiden Ländern: die Sanktionen wegen des Ukraine-Konfikts. Ronald Pofalla, der deutsche Vorsitzende des Dialogforums, verteidigt die Sanktionen: „Ich bin gegen den Abbau der Sanktionen, weil der Anlass, die völkerrechtswidrige Annektion der Krim und der Krieg in der Ostukraine weiter anhalten.“ Ganz anders sieht das Gazprom-Chef Viktor Subkow, der Co-Vorsitzende des Petersburger Dialogs. Was die Sanktionen der EU gebracht hätten?, fragt er. „Etwas Positives? Nein“, sagt Subkow, er sei der Meinung, man solle einen Schlussstrich ziehen bei den Sanktionen.

Übereinstimmung gibt es beim gemeinsamen Projekt der Gaspipeline Nord Stream 2. Auf russischer Seite gibt es nun offenbar die Bereitschaft, einen Teil des Gases nach wie vor durch die Ukraine zu leiten und das Land somit an den Transitgebühren zu beteiligen.

Deutsche und Russen ziehen bei Gasleitung an einem Strang

Die Gasleitung ist wahrscheinlich das einzige aktuelle Projekt, bei dem Deutsche und Russen tatsächlich an einem Strang ziehen, gegen den entschiedenen Widerstand der USA, aber auch von einigen EU-Staaten. Maas verteidigt Nord Stream 2 als „außerordentlich sinnvoll, nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa“. Für Pofalla besteht sogar ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Kohleausstieg und der Gasleitung: „Gas ist der Energieträger, der uns den Ausstieg aus der Kohle erst ermöglicht“, so Pofalla. Das von den USA angebotene Schiefergas sei 20 bis 30 Prozent teurer. Nur das russische Gas ermögliche eine „industrielle Produktion zu vernünftigen Preisen“.

Pofalla hat für die zweitägige Zusammenkunft in Königswinter und Bonn ganz konkrete Ziele: „Ein Thema wollen wir insbesondere vorantreiben: die Visafreiheit für den Jugendaustausch“, betont er zum Auftakt. „Wir wollen erreichen, dass Jugendliche unter 25 Jahren leichter reisen können.“ In Russland sei der behördliche Aufwand bislang außerordentlich groß. Wenn eine Generation unvoreingenommen aufeinander zugehen könne, dann sei es diese Generation, sagte er. Aber ihm ist auch bewusst, dass bis dahin noch viele Hindernisse beseitigt werden müssen – denn da mit der Visafreiheit auch der Zutritt zum Schengen-Raum verbunden sei, gebe es bei den anderen europäischen Partnern sehr wohl noch Bedenken für das Vorhaben.

Das Video ist Teil einer Kooperation zwischen dem Westdeutschen Rundfunk (WDR) und dem General-Anzeiger.

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