Großbritannien Premier Cameron greift Ukip an

LONDON · David Cameron hatte genug. Von den Ergebnissen der Europawahl, die den Premierminister und seine konservativen Tories auf den dritten Platz verwiesen. Vom Medienrummel, der durch den erdrutschartigen Sieg der europafeindlichen Unabhängigkeitspartei Ukip ausgelöst wurde.

 Anhänger der Ukip feiern den Wahlsieg.

Anhänger der Ukip feiern den Wahlsieg.

Foto: dpa

Aber vor allem hatte er genug von deren rechtspopulistischen Chef, Nigel Farage, der in der Öffentlichkeit stets am liebsten als Anwalt der Briten und trinkfester Kumpel auftritt. Cameron versuchte es in den vergangenen Wochen zu vermeiden, Ukip zu attackieren, um Protestwähler nicht für immer zu verschrecken. Gestern reichte es ihm. Er griff Farage dafür an, sich als "normaler Kerl vom Pub um die Ecke" zu geben, wenn er doch in Wirklichkeit ein "Spitzenpolitiker" sei, der "äußerst taktisch" vorgehe.

Es war der Tag, an dem das historische Ausmaß des Erfolgs der Anti-Partei deutlich wurde. Farage hat auf der Insel abgeräumt, zum ersten Mal in mehr als 100 Jahren konnte keine der etablierten Parteien gewinnen. Ukip, die auf einen sofortigen EU-Austritt beharrt und die Zuwanderung aus EU-Ländern deutlich beschränken will, siegte mit mehr als 27 Prozent der Stimmen.

Die oppositionelle Labour-Partei unter Ed Miliband landete mit gut 25 Prozent auf dem zweiten Platz. "Meine Träume wurden Wirklichkeit", feierte Nigel Farage. Die "Volksarmee" der Ukip habe gesprochen.

Zerknirschte Gesichter dominierten vor allem bei den konservativen Tories. "Die Menschen sind von der EU tief enttäuscht", schob Cameron gestern den Schwarzen Peter nach Brüssel. "Die Menschen wollen Veränderungen und ich habe die Botschaft vollständig empfangen und verstanden", so der Regierungschef, der zugleich betonte, dass er für den Verbleib "in einer reformierten EU" eintrete.

Cameron steht unter gewaltigem Druck, bis zur Parlamentswahl 2015 Zugeständnisse an die EU-Kritiker der Tories zu machen. Viele Konservative haben die Sorge, dass die Europafeinde der Ukip in den nächsten Jahren weiter erstarken und noch mehr Stammwähler der Tories zum Überlaufen bringen könnten.

Außer Frage steht, dass der Ukip-Erfolg einen Rechtsruck bei den Tories bewirken wird. Die Abstimmung zeigte nämlich vor allem eins: Zahlreiche Briten sind frustriert über die Politik in Westminster. Und sie wollen mit Europa am liebsten nichts zu tun haben. Nicht nur, dass Ukip triumphierte, die europafreundlichen Kräfte wurden gleichzeitig deutlich abgestraft.

Doch was nun? Nigel Farage schloss ein Bündnis mit dem französischen Front National aus. Rassismus und Antisemitismus seien "in der DNA" der Partei. Gleichwohl befand AfD-Chef Bernd Lucke vor einigen Wochen, dass ihm Ukips Ton in Bezug auf Immigration nicht behage. Damit steckt Farage in einem Dilemma. Ohne Partner steht die Protestpartei machtlos und isoliert da.

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