Diskussion um Rentenalter Rente mit 70 als Reaktion auf die gestiegene Lebenserwartung

Berlin · Ökonomen mahnen: Die Rente mit 70 ist unvermeidbar. Sie begründen dies mit der weiter steigenden Lebenserwartung.

 Wer soll das bezahlen? Zwei Erwerbstätige werden 2030 für einen Rentner aufkommen.

Wer soll das bezahlen? Zwei Erwerbstätige werden 2030 für einen Rentner aufkommen.

Foto: picture alliance / dpa

Rente mit 70? Viele Arbeitnehmer dürften diese Forderung unter der Rubrik „unzumutbar“ abhaken. Wirtschaftswissenschaftler wie der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, und der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, halten sie dagegen für unvermeidbar.

Die Ökonomen begründen die Rente mit 70 mit der weiter steigenden Lebenserwartung. Ein Mann, der 1970 mit 65 Jahren in Rente ging, hatte im Schnitt noch knapp 14 Jahre seines Lebens vor sich, bei Frauen waren es gut 16 Jahre. 65-jährige Männer leben heute im Schnitt noch fast weitere 18 Jahre, Frauen sogar noch 21 Jahre. Entsprechend länger beziehen sie die gesetzliche Rente. „Diese Verschiebung der Lebenserwartung wird allen Prognosen zufolge weiter anhalten“, sagt Hüther. Derzeit noch kommen drei Erwerbstätige auf einen Rentner. Im Jahr 2030 sind es wegen der fortschreitenden Alterung nur noch zwei Erwerbstätige pro Rentner.

Reine Umverteilung löst das Problem nicht

DIW-Chef Fratzscher gilt als ein der SPD nahestehender Ökonom, seit er eine vom früheren Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) eingesetzte Expertenkommission geleitet hat. IW-Chef Hüther dagegen gehört zum konservativen Lager. Gemeinsam appellieren sie an die Politiker, die Zeitbombe der Alterung in der Rentenversicherung nicht weiter zu ignorieren. Doch die CDU sieht in ihrem Wahlprogramm lediglich eine Rentenkommission vor, die sich mit den Zukunftsfragen beschäftigen soll, konkreter wird sie nicht. Die CSU will zudem die Mütterrenten aus Beitragsmitteln nochmals erhöhen. Die SPD will das Rentenniveau nicht – wie bisher vorgesehen – bis 2030 auf bis zu 43 Prozent sinken lassen, sondern den Rentenanteil am Durchschnittsverdienst bei 48 Prozent stabilisieren.

Die Topökonomen übten scharfe Kritik an diesen Plänen. „Alle Parteien führen hier eine sehr unehrliche Debatte. Sie kündigen Pläne an, wie etwa die weitere Erhöhung der Mütterrenten, die massiv zulasten der jüngeren Generationen gehen würden“, warnte Fratzscher. Schon die Rente mit 63 und die Erhöhung der Mütterrenten in der laufenden Legislaturperiode seien „die größten sozialpolitischen Fehler, die die große Koalition gemacht hat“, sagte der DIW-Chef. „Das war eine riesige Umverteilung von jungen zu alten Menschen, die sich noch rächen wird.“

Rentenalter wird seit 2012 angehoben

Noch deutlicher wurde IW-Chef Hüther. „Völlig unverantwortlich tun CDU/CSU und SPD in ihren Wahlprogrammen so, als gäbe es entweder keinen Handlungsbedarf oder sogar Gelegenheit für weitere Rentengeschenke. Das ist fatal“, sagte der Präsident des arbeitgebernahen Kölner Instituts. Es werde wegen des medizinischen Fortschritts möglich sein, dass Arbeitnehmer in den Jahrzehnten nach 2030 bis 70 Jahre arbeiten könnten.

Wegen der Rente mit 63 ist das Rentenalter zuletzt nur noch langsam gestiegen. 2016 gingen Neurentner im Schnitt mit 64,1 Jahren in Rente. Dieser Stand war bereits 2014 – vor Einführung der Rente mit 63 – erreicht worden. 2015 lag das Eintrittsalter bei nur 64 Jahren.

Wegen der immer weiter steigenden Lebenserwartung und einer sinkenden Zahl jüngerer Arbeitnehmer, die in die Rentenkasse einbezahlen, wird das Rentenalter seit 2012 schrittweise angehoben. Aktuell erreichen Arbeitnehmer mit 65 Jahren und sechs Monaten die Regelaltersgrenze. Wer 1964 oder später geboren wurde, muss bis 67 arbeiten, um ohne Abschläge in Rente gehen zu können.

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