Kommentar zur Absage des Länderspiels Richtig

Meinung · Jeder, der in Politik oder Polizei Verantwortung trägt, hätte am Dienstagabend in Hannover so entscheiden müssen: Sicherheit muss - nicht nur in diesen Tagen direkt nach den Anschlägen von Paris - absoluten Vorrang haben.

Auch vor der Freiheit, sich zu bewegen, wohin man will. Vor dem Vergnügen, einem Fußballspiel beizuwohnen. Und leider auch vor dem gewollten Signal der Solidarität, des Mutes und des Bekenntnisses zur offenen Gesellschaft und gegen Gewalt und Terrorismus. Bundestagspräsident Norbert Lammert hat völlig Recht, wenn er sagt, das Spiel wegen des geplanten Solidaritätssignals trotz der Gefährdungshinweise stattfinden zu lassen, wäre eine Verwechslung von Mut und unverantwortlicher Tollkühnheit gewesen. Deshalb: Sicherheitsbehörden und Politik haben gestern Abend in Hannover (und Berlin) alles richtig gemacht.

Wer jetzt die Absage dieses Länderspiels - ein in der Geschichte der Bundesrepublik einmaliger Vorgang - als Symbol der Angst verstehen wollte, irrte gründlich. Diese Entscheidung ist ein Symbol der Vorsicht und der Umsicht. Der Vorgang zeigt auch, dass die Antwort auf alle Herausforderungen des Terrorismus nur in ruhigem, überlegten Handeln bestehen kann, nicht in der emotionalen Überreaktion eines unüberlegten "Jetzt erst recht"!

Der Schutz jedes einzelnen Menschen hat unbedingte Priorität. Deshalb gehen auch alle Überlegungen fehl, das gestrige Länderspiel habe erst recht deswegen abgesagt werden müssen, weil sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und einige ihrer Minister angesagt hatten. Oder anders herum: weil es ja ohnehin nur ein Freundschaftsspiel gewesen wäre.

Politik und Polizei haben jeden einzelnen Fall, jede einzelne Großveranstaltung individuell zu beurteilen. Die Beispiele aus dem Fußball der vergangenen Tage belegen ja gerade, wie unterschiedlich die Entscheidungen dabei ausfallen. Das Freundschaftsspiel der Solidarität zwischen England und Frankreich hat gestern Abend stattgefunden. Das Freundschaftsspiel Frankreich gegen Deutschland am vergangenen Freitag im Stade de France ist - aus Sicherheitsgründen! - fortgesetzt worden, während vor dem Stadion schon die Bomben explodierten. Also: Von übertriebener Vorsicht, gar Hysterie kann keine Rede sein.

Noch etwas: Es ist auch gut, wenn die Innenminister des Bundes und des Landes Niedersachsen gestern Abend jeden Hinweis auf konkrete Umstände der geplanten Tat vermieden haben, denn diese Hinweise könnten vor allem Ermittlungen und damit das Verhindern weiterer Attentate erschweren. Thomas de Maizières Satz, zu viele Details würden die Bevölkerung nur verunsichern, war allerdings unklug und unprofessionell, heizt er die Spekulation doch geradezu an. Deeskalation und Beruhigung hören sich anders an. Natürlich reizt es beispielsweise zu wissen, ob es stimmt, dass das Attentat mit Hilfe eines Sprengstoff beladenen Rettungswagens geplant war, was ein zusätzlicher Beleg für die Perversität der Täter wäre. Aber auch hier gilt: Sicherheit geht vor. Es wird eine Herkulesaufgabe sein, in den kommenden Wochen dieses Prinzip bei Großveranstaltungen aller Art - von der Bundesliga bis zum Weihnachtsmarkt - durchzusetzen.

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