Nordrhein-Westfalen vor der Wahl Rot-Grün kämpft um Mehrheit

Düsseldorf · Alles ist offen bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Und es steht viel auf dem Spiel bei dem wichtigsten Wählervotum vor der Bundestagswahl 2013. Ministerpräsidentin Kraft kämpft um eine rot-grüne Mehrheit.

In Nordrhein-Westfalen wird nach knapp zwei Jahren rot-grüner Minderheitsregierung am Sonntag vorzeitig ein neuer Landtag gewählt. Die SPD von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft geht als Favoritin ins Rennen. Kraft kämpft um eine rot-grüne Mehrheit. Laut Umfragen ist das zu schaffen - in einem Fünf-Parteien-Parlament mit CDU, FDP und Piraten, aber ohne die Linke. Doch alles ist offen. Viele Wähler sind noch unentschlossen. Keine Partei hat in dem knapp zweimonatigen Turbo-Wahlkampf bestimmte Bündnisse kategorisch ausgeschlossen. Das Votum der gut 13,2 Millionen Wahlberechtigten gilt als die wichtigste Abstimmung vor der nächsten Bundestagswahl 2013.

Im Endspurt warben die Parteien an Rhein und Ruhr bis zuletzt mit geballter Politprominenz um die Gunst der Wähler. Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte den CDU-Spitzenkandidaten und Bundesumweltminister Norbert Röttgen am Freitagabend in Düsseldorf noch einmal unterstützen. An der Seite von SPD-Spitzenkandidatin Kraft planten Bundesparteichef Sigmar Gabriel, der frühere NRW-Regierungschef Peer Steinbrück und der Bundesfraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier eine große Kundgebung in Bochum. Bei der Abschlussveranstaltung der FDP wollte am Samstag in der Landeshauptstadt neben Spitzenkandidat Christian Lindner auch das Toppersonal der Liberalen aus Berlin noch Wähler mobilisieren.

Röttgen hat bis zuletzt offen gelassen, ob er bei einer Niederlage als Oppositionsführer nach Düsseldorf kommt. Mit seiner - schnell wieder relativierten - Aussage, die NRW-Wahl entscheide auch über den Europakurs der Kanzlerin, löste er Unruhe und auch Unmut in den eigenen Reihen aus. Seine Partei sehen Meinungsumfragen mit rund 30 Prozent klar abgeschlagen hinter der SPD, die in der jüngsten Erhebung auf 37 Prozent kam.

Für die Kraft-Regierung sorgten in den letzten Tagen vor dem Urnengang Vorwürfe wegen angeblicher „Dankeschön-Aufträge“ an eine Kommunikationsagentur für Wirbel. Die CDU hatte nach einem Magazin-Bericht Aufklärung verlangt, ob es einen Zusammenhang gebe zwischen Aufträgen der Regierung nach 2010 an die Agentur und der früheren Rolle des Agenturinhabers. Dieser soll die schwarz-gelbe Vorgängerregierung mit anonymen Enthüllungen in einem Blog mit aus dem Amt gehebelt haben. Auf Fragen der Opposition reagierte die Staatskanzlei kurz vor der Wahl am Donnerstagabend mit umfangreichen Antworten - und wies die Vorhaltungen zurück.

Von der spannenden NRW-Wahl könnten Hinweise ausgehen, ob Zweier-Koalitionen noch eine Chance haben. Sollten SPD und Grüne keine Mehrheit zusammenbekommen, wäre auch eine Ampelkoalition mit der FDP denkbar. Allerdings hatte Lindner sich dazu vor allem wegen der Unterschiede zu den Grünen bei der Haushalts- und Finanzpolitik mehrfach ablehnend geäußert. Die CDU sieht die Liberalen dennoch als „Steigbügelhalter“ für Rot-Grün, falls die beiden ohne Mehrheit bleiben.

Eine große Koalition ist ebenfalls nicht ausgeschlossen. Mit dieser rechnet die FDP, wenn Kraft mit den Grünen nicht ihre erhoffte Mehrheit einfährt. Die Liberalen werfen den Christdemokraten vor, sie dienten sich der SPD bereits als Juniorpartner an.

Bei den Piraten scheint der Einzug in das vierte Landesparlament nach Berlin, dem Saarland und Schleswig-Holstein nahezu sicher. Ihr NRW-Spitzenkandidat Joachim Paul hat eingeräumt, seine Partei habe bei einigen Themen noch keine festen Positionen und wolle in der Opposition lernen. Die Grünen hoffen auf ein ähnliches Ergebnis wie 2010 (12,1 Prozent) - und dass sie mit Schulministerin Sylvia Löhrmann wieder die Vize-Regierungschefin stellen können.

Um die mindestens 181 Sitze im NRW-Landtag bewerben sich 1085 Kandidaten. 17 Parteien treten mit Landeslisten an. Zu den Schwerpunktthemen gehörten im Wahlkampf Schule, Bildung, Kita-Plätze, Energie- und Industriepolitik, Arbeit sowie Haushalten und Sparen im bevölkerungsreichsten Bundesland. Nachdem der rot-grüne Haushalt am 14. März an der geschlossenen Opposition von CDU, FDP und Linken gescheitert war, hatte sich der Landtag erstmals in seiner Geschichte aufgelöst - und damit die Neuwahl nötig gemacht.

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