SPD-Politiker in Bocholt zurückgetreten Rücktritt nach Hassmails: Ermittlungen sind schwierig

Bocholt · Üble Beschimpfungen muss der Bocholter SPD-Chef schon seit längerem ertragen. Doch jetzt richten sich die Hassmails auch gegen seine Partnerin und die gemeinsame kleine Tochter. Für Thomas Purwin ist damit eine Grenze überschritten. Der Staatsschutz ermittelt.

 Thomas Purwin ist nach Hassmails gegen seine Familie von seinem Amt zurückgetreten.

Thomas Purwin ist nach Hassmails gegen seine Familie von seinem Amt zurückgetreten.

Foto: SPD Bocholt/dpa

Nach den Hassmails gegen den Bocholter SPD-Chef Thomas Purwin und seine Familie hat die Polizei noch keinen konkreten Tatverdacht. Die Ermittlungen seien sehr schwierig, weil die Mails über Computer-Adressen aus dem Ausland verschickt worden seien, sagte eine Polizeisprecherin am Mittwoch in Münster. Es müsse zunächst geklärt werden, von wo aus die Mails tatsächlich verschickt worden seien. Weil es bei den Beschimpfungen um einen Politiker gehe, könne auch ein politischer Hintergrund nicht ausgeschlossen werden.

Nach Hassmails gegen seine Lebensgefährtin und seine kleine Tochter ist der Vorsitzende der SPD im münsterländischen Bocholt von seinem Amt zurückgetreten. Die Verfasser der Hassmails hätten „eine Grenze überschritten“. Das könne er als Familienvater „auf keinen Fall hinnehmen“, teilte der 35-Jährige am Dienstag in einer persönlichen Erklärung mit. Deshalb ziehe er sich „schweren Herzens aktuell aus der Bocholter Lokalpolitik“ zurück.

Purwin und andere Bocholter Kommunalpolitiker hatten in den vergangenen Monaten immer wieder Hassmails vor allem mit fremdenfeindlichem Charakter erhalten. Purwin leitet das Standesamt der Stadt. Er habe gelernt, mit den Mails gegen ihn umzugehen, schrieb der SPD-Politiker. Jetzt richteten sich die Hassmails aber „gegen meine Lebensgefährtin und insbesondere gegen meine Tochter, der man das Übelste wünscht“.

Ministerpräsidentin Kraft ist "entsetzt und wütend"

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) reagierte mit scharfen Worten auf die Hassmails. „Entsetzt, aber auch wütend bin ich, dass rechte Hetzer mit ihren Hassmails Menschen so zermürben und einschüchtern, dass sie ihre Arbeit für unsere kommunale Demokratie einstellen müssen“, sagte sie der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (Mittwoch). „Wir müssen uns mit aller Entschlossenheit und Konsequenz diesen Angriffen auf unsere Demokratie entgegenstellen, denn diese Hetze trifft uns alle.“ Sie habe aber Verständnis dafür, dass Purwin sich um seine Familie sorge, sagte Kraft.

Der Generalsekretär der NRW-SPD, André Stinka, nannte die erneuten Drohungen und Hassmails beschämend. „Sie richten sich gegen alle Demokratinnen und Demokraten.“ Purwins „sehr persönliche Entscheidung respektieren wir, auch wenn wir seinen Schritt sehr bedauern“. Die Täter müssten schnell identifiziert und zur Rechenschaft gezogen werden. FDP-Chef Christian Lindner sagte: „Es ist schrecklich, dass wir so weit sind, dass Politiker, die für die Demokratie tätig sein wollen, sich nicht nur mit Herabwürdigung konfrontiert sehen, sondern sogar um ihr Leben fürchten müssen.“

Grünen-Landeschef Sven Lehmann nannte die Hassmails unerträglich. „Demokratinnen und Demokraten halten zusammen gegen Hass und Hetze. Es ist unerträglich, wenn Menschen, die sich für unsere Demokratie engagieren, durch Hassmails und Drohungen eingeschüchtert werden“, sagte er den Dortmunder „Ruhr Nachrichten“ (Mittwoch). Die persönliche Entscheidung, seine Familie zu schützen, verstehe er aber sehr gut. „Ich vertraue darauf, dass Polizei und Staatsanwaltschaft den oder die Täter schnell ermitteln.“

Staatsschutz ermittelt

Der Staatsschutz der Polizei Münster ermittelt in dem Fall. Ende Oktober war die Wohnung eines 46-Jährigen in Bocholt durchsucht worden. Der Mann habe bestritten, Hassmails verfasst zu haben. Nach der Befragung sei der Mann wieder entlassen worden, hatte die Polizei damals mitgeteilt.

Seit dem Anstieg der Flüchtlingszahlen ist nach Angaben des Düsseldorfer Innenministeriums eine zunehmend aggressive Agitation gegen Amts- und Mandatsträger festzustellen. Von Januar bis Ende September 2016 seien gegen Politiker in NRW 115 politische motivierte Straftaten verübt worden. In den meisten Fällen seien die Anfeindungen aus dem rechtsextremistischen Spektrum gekommen. Zu Gewaltdelikten gegen Politiker kam es 2016 in NRW nicht. Die Fälle in Bocholt sind in diesen Zahlen noch nicht enthalten.

Nach einer Welle von Beschimpfungen per Mail und bei Facebook hatte Purwin im Oktober einen Parteitag der Bocholter SPD abgesagt. Purwin war seit dreieinhalb Jahren Chef des Ortsvereins. Er habe daraufhin viele Solidaritätsbekundungen aus ganz Deutschland erhalten, sagte Purwin am Dienstag. SPD-Parteichef Sigmar Gabriel hatte angekündigt, bei einem neuen Termin für den Ortsparteitag nach Bocholt zu kommen.

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