International Seehofer übt Schulterschluss mit Putin

Moskau · Selten wird der Besuch eines deutschen Ministerpräsidenten in Moskau so aufmerksam beobachtet wie die Reise von Horst Seehofer zu Kremlchef Wladimir Putin. Der CSU-Vorsitzende muss sich in einem Spagat üben: zwischen wenigstens leiser Kritik und Wiederannäherung.

 Der russische Präsident Wladimir Putin (r) empfängt Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer in seiner Residenz Nowo-Ogarjewo bei Moskau.

Der russische Präsident Wladimir Putin (r) empfängt Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer in seiner Residenz Nowo-Ogarjewo bei Moskau.

Foto: Sven Hoppe

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat auf seiner Moskau-Reise für eine Lockerung der westlichen Sanktionen gegen Russland "in überschaubarer Zeit" geworben.

Man müsse sehen, wie man realistisch von den Strafmaßnahmen wegkomme, "in Schritten oder in einem Schritt", sagte Seehofer anlässlich seines Gesprächs mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die Sanktionen waren vom Westen wegen der Rolle Moskaus in der Ukraine-Krise verhängt worden.

Bei dem Gespräch in Putins Residenz vor den Toren Moskaus übte Seehofer angesichts vieler ungelöster Krisen auf der Welt den Schulterschluss mit dem russischen Präsidenten: "Wir wollen mit ehrlichem Herzen unseren Beitrag leisten, dass wir in schwierigem politischem Umfeld wieder ein Stück Vertrauen und Normalität herstellen", versicherte der CSU-Vorsitzende. "Daran wollen wir mitwirken." Putin erwiderte: "Die Probleme von heute betreffen uns alle." Er dankte für Seehofers Besuch und betonte: "Wir wissen um Ihre Haltung, Ihren Willen, viel für eine Normalisierung zu tun."

Zu den Sanktionen sagte Seehofer auf dem Flug nach Moskau: "Sie haben für uns in Bayern massive negative Rückwirkungen: für die bayerische Wirtschaft, auch für die bayerische Landwirtschaft." Auch die russische Wirtschaft habe Schaden genommen. Deshalb sollte es im Interesse aller Beteiligten sein, "in überschaubarer Zeit" zu Veränderungen zu kommen, betonte er. "Und dafür werde ich werben."

Seehofer betonte aber auch, dass Russland im Ukraine-Konflikt seine "Hausaufgaben" zu machen habe. Es sei "auch deutlich gemacht worden, dass auch die russische Seite Aufgaben erfüllen muss". Seehofer sprach insgesamt von einem "recht intensiven Gespräch in einer sehr guten Atmosphäre". Er sagte aber auch: "Man konnte keine Zweifel haben, wer wo steht."

Zu Beginn seines Gesprächs mit Putin verwies Seehofer darauf, dass Bayern von allen Dingen, die auf der Welt passierten, "total betroffen" sei. Als Beispiele nannte er Syrien, die Ukraine und die hohen Flüchtlingszahlen. "Wir sind der Überzeugung, dass das alles nur miteinander zu lösen ist, nicht im Konflikt." Dabei arbeite man mit der Bundesregierung zusammen, nicht gegen sie. Und daran wolle man auch gemeinsam mit Russland arbeiten, nicht gegen Russland.

Putin verwies - wie auch Seehofer - auf die engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Russland und Bayern. 20 Prozent des deutsch-russischen Handels entfielen auf Bayern, 50 Prozent aller Investitionen aus Deutschland kämen aus dem Freistaat, erklärte Putin und sagte zu Seehofer: "Deshalb sind Sie ein besonderer Gast."

Seehofer sagte, sowohl ihn als auch Putin erfüllten die rückläufigen Handelszahlen mit Sorge. Er verteidigte seine Moskau-Reise gegen Kritik und verwies auf seinen Amtseid. "Jeder Ministerpräsident hat die verdammte Pflicht, sein Land überall auf der Welt zu vertreten." Vorwürfe, er lasse sich von Putin instrumentalisieren oder betreibe "Nebenaußenpolitik" gegen Kanzlerin Angela Merkel, wies Seehofer zurück. Derlei Kritik sei "flach". "Wir haben so intensiv über diese Reise gesprochen, stufen sie beide - die Kanzlerin und ich - als ein Stück Normalität und Selbstverständlichkeit ein." Man habe gleichgerichtete Interessen. "Wir machen keine Machtspielchen."

Auch die Führung in Moskau betonte, das Treffen trage keinen "Verschwörungscharakter". Die Position Seehofers, der die Sanktionen kritisch sehe, sei der russischen Regierung natürlich näher als die Position von Befürwortern der Strafmaßnahmen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. "Man muss hier aber keine Verschwörungen oder Pläne suchen." Das Gespräch mit Seehofer sei "eine wichtige Begegnung".

Die bayerische Wirtschaft begrüßte die Reise. "Der Dialog darf nicht abreißen. Russland ist für uns ein sehr wichtiger Handelspartner", sagte der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft, Bertram Brossardt, der Deutschen Presse-Agentur. Er wandte sich gegen die Sanktionen gegen Moskau, von der viele Firmen in Bayern betroffen seien. Sie hätten politisch nichts verändert.

Am Donnerstag will Seehofer in Moskau mit dem Industrie- und dem Wirtschaftsminister sowie Moskaus Bürgermeister zusammenkommen.

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