Steuerhinterziehung Sicher und preiswert

Berlin · Lange hat das Bundesfinanzministerium das Problem geleugnet. Tricksereien an der Ladenkasse? Unterschlagen von Umsätzen mit Hilfe manipulierter Kassensoftware? All das existiere. Aber eben nicht in dem Umfang, so die Beamten aus Berlin, wie dies seit Jahren von Experten angemerkt wurde.

Im Sommer war das Bundesfinanzministerium sogar so weit gegangen, dem Bundesrechnungshof - auch er bemängelt die Missstände - Rechenfehler vorzuwerfen. Die Behörde hatte von Steuerausfällen in Höhe von bis zu zehn Milliarden geschrieben.

Und nun das: Das Bundesfinanzministerium hat den Ländern, die seit Jahren einstimmig Maßnahmen gegen den systematischen Betrug einfordern, ein schriftliches Konzept für ein mögliches Vorgehen vorgelegt. Die Länder wurden aufgefordert, zur "Tischvorlage" Stellung zu nehmen, wie das Konzept überschrieben ist, das unserer Zeitung vorliegt. Und als Zeichen des guten Willens sprechen Schäubles Beamte in den Gesprächen nun auch von einer Rechtsverordnung, die das Vorgehen gegen die Schummelei an der Ladenkasse begleiten soll. Bislang hatten sie diese immer abgelehnt. Bis heute hatten die Länder Zeit, schriftlich zum Vorstoß Stellung zu nehmen. Dass der Bund tätig werden will, wird einhellig begrüßt. Nur: Es gibt weiterhin große Zweifel, ob die Bundesregierung ernsthaft an einer Sicherung interessiert ist.

Umstritten ist immer noch die technische Umsetzung. Es geht um die Fragen: Wie soll verhindert werden, dass bei computergestützten Kassen eine Manipulationssoftware aufgespielt wird, die etwa nach Ladenschluss Positionen löscht? Gängig ist auch "Monstersoftware", die auf einem USB-Stick gespeichert ist und nur beim eigentlichen Löschen von Umsätzen an der Kasse ist.

Fragezeichen und jede Menge Kritik der Länder

Mit viel Steuergeldern hatte eine nachgeordnete Behörde des Bundeswirtschaftsministeriums eine technische Lösung zum Betrugsschutz (Insika) entwickelt. So ziemlich alle Experten sind sich einig: Insika ist sicher und kostet wenig. Zudem ist es noch praxiserprobt. Das Hamburger Taxigewerbe nutzt die Lösung - reibungslos. Nur: Das Schäuble-Ministerium hält nichts von Insika. Auch die "Tischvorlage" erwähnt Insika nicht einmal, spricht nebulös von einer technologieoffenen Lösung.

Wie sie aussehen soll? Da gibt es viele Fragezeichen und jede Menge Kritik der Länder. Moniert wird etwa, der Bund wolle auch reine Softwarelösungen als Sicherung gegen Manipulation erlauben. Aber: Zeigt nicht zuletzt der VW-Abgasskandal, wie anfällig Software für Manipulationen ist?

Die Berliner Beamten wollen zudem erlauben, dass jeder Hersteller seine eigene Prüfsoftware liefern kann. Die Finanzverwaltung läuft dagegen Sturm: Sie wäre gezwungen, für unzählige Kassensysteme die einschlägige Prüfsoftware auf den eigenen Rechnern zu installieren und permanent zu warten. Das sei völlig unmöglich. Die Prüfer brauchten vielmehr ein Programm, mit dem sie dann alle Systeme prüfen könnten.

Experten halten große Stücke auf Insika. Beim Weg, den die Beamten vorsehen, gibt es aber große Zweifel, ob Insika noch infrage kommt. Zudem gehen die Experten der Länderfinanzverwaltungen, die sich den Vorschlag aus Berlin angesehen haben, davon aus, dass diese Variante "deutlich höhere Kosten auslösen würde" und zeitaufwendiger wäre als andere Verfahren. Auch das passt nicht zusammen: Schließlich war ein Hauptkritikpunkt des Bundesfinanzministeriums an Insika immer, dass die Bürokratiekosten in die Höhe schössen.

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