Erkenntnisse Sieben Lehren der Europawahl

Berlin · Europa hat gewählt - und die Parteien gewinnen Erkenntnisse, die wahlweise gut- oder auch wehtun. Eine Auswahl:

Wahlbeteiligung - so müde sind die Bürger noch nicht:
47,9 Prozent in Deutschland sind nicht bombastisch. 2009 gingen aber nur 43,3 Prozent zur Europawahl. Es tut sich also was. Nicht alle wollen nur über Brüssel motzen, sondern schätzen die EU als Friedensmacht. Gerade in Zeiten, wo das Schicksal einer freien Ukraine auf der Kippe steht. Europaweit stagnierte die Wahlbeteiligung bei rund 43 Prozent - immerhin ging's nicht bergab.

Spitzenkandidaten bringen etwas Spannung:
Auch wenn die Quoten bei den TV-Duellen zwischen dem Konservativen Jean-Claude Juncker und dem Sozialdemokraten Martin Schulz nicht berauschend waren - der Promi-Wettstreit um den Topjob bei der Brüsseler Kommission hat zumindest in Deutschland den Wahlkampf bereichert. Nun wird mancherorts befürchtet, die Neugier könne in Frust umschlagen, wenn keiner der beiden den Chefsessel bekommt.

Populismus zieht nicht mehr - siehe CDU:
Die Christsozialen langten ordentlich hin - das reichte von Brüssel-Bashing über Außenminister Frank-Walter Steinmeiers Ukraine-Mission ("Außer Spesen nichts gewesen") oder Martin Schulz' Flüchtlingspolitik ("Geschäftsführer von Schlepperbanden"). Bayerns Bürger - nach vier Wahlen vielleicht auch etwas träge - spielten nicht mit. Die CSU rutschte bei der Europawahl von 48,1 Prozent auf 40,5 Prozent ab.

Merkel allein macht noch keinen Sieg:
Die CDU-Chefin stand gar nicht zur Wahl, lächelte aber von vielen Plakaten. Am Wahlabend gab's dann lange Gesichter. Die Union fährt mit 35,3 Prozent ihr schlechtestes Europa-Ergebnis seit 1979 ein - und schneidet viel schlechter ab als bei der Bundestagswahl vor acht Monaten (41,5). Schwacher Trost für Merkel: Schuld ist vor allem die CSU von Horst Seehofer.

Die SPD wird in der Koalition aufmüpfiger:
Im Willy-Brandt-Haus feierten sie, als ob sie haushoher Wahlsieger wären. Davon ist die SPD mit 27,3 Prozent zwar weit entfernt - den Abstand zur Union haben die Genossen gegenüber der Bundestagswahl aber fast halbiert. Die Sozialdemokraten bringen nun mehr Gewicht auf die Berliner "GroKo"-Waage. SPD-Chef Sigmar Gabriel will aber dafür sorgen, dass seine Partei verlässlich bleibt.

Europas Rechte werden stärker - die AfD macht sich breit:
Die AfD hat über eine halbe Million Wähler von der Union abgesaugt und fährt mit 7,0 Prozent nach Straßburg. Der nächste Erfolg winkt der Lucke-Partei schon Ende August in Sachsen. Schaut man nach Frankreich oder Großbritannien, fällt der Aufstand deutscher Protestwähler aber geradezu mickrig aus. Jeder vierte Franzose wählt die rechtsextreme Front National - auf der Insel ist UKIP bärenstark.

FDP auf dem Weg zur Splitterpartei:
Die Liberalen stürzen nach dem Aus bei der Bundestagswahl weiter ab. Nach 3,4 Prozent mehren sich Zweifel, ob die Marke FDP jemals wieder zieht. Ihren Platz will die AfD einnehmen. Bei den kommenden drei Landtagswahlen im Osten drohen der FDP neue Pleiten. Parteichef Christian Lindner (35) klammert sich an Durchhalte-Parolen. Er will Anfang 2015 eine radikal neue FDP präsentieren - vielleicht zu spät.

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