Übersicht über alle 28 EU-Staaten So hat Europa gewählt

Berlin · 28 Länder, 28 unterschiedliche Wahlsysteme, 751 Abgeordnetenplätze im Europaparlament und rund 400 Millionen Wahlberechtigte: Bei den Europawahlen ist es nicht ganz einfach, den Überblick zu behalten. 21 Länder wählten allein am Sonntag.

 Die Flaggen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wehen vor dem Gebäude des Europäischen Parlaments in Straßburg. Foto: Patrick Seeger

Die Flaggen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wehen vor dem Gebäude des Europäischen Parlaments in Straßburg. Foto: Patrick Seeger

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Wer hat wo zugelegt, wer hat verloren? Ein Überblick über die 28 EU-Staaten:

BELGIEN (21 Sitze): Die Neu-Flämische Allianz der Nationalisten im Norden Belgiens erzielt die stärksten Gewinne und ist mit knapp 16,5 Prozent Wahlsieger. Es folgen die Liberalen und die flämischen Christdemokraten. Bei den französischsprachigen Abgeordneten liegen die Sozialisten und die frankophonen Liberalen vorne. Mit 90 Prozent war die Wahlbeteiligung neben Luxemburg die höchste EU-weit - in beiden Ländern herrscht Wahlpflicht.

BULGARIEN (17): Die oppositionelle bürgerliche GERB gewinnt mit klarem Vorsprung vor den regierenden Sozialisten (PES). GERB erhält gut 30 Prozent der Stimmen, die PES von Sergej Stanischew nur 19 Prozent. GERB-Chef Boiko Borissow fordert den "umgehenden Rücktritt" der Regierung, obwohl der kleinere Koalitionspartner, die Türkenpartei DPS, mit 17 Prozent gut abschneidet. Die EU-feindliche Ataka verfehlt diesmal den Sprung ins EU-Parlament.

DÄNEMARK (13): Die rechtspopulistische Dänische Volkspartei ("Dansk Folkeparti") ist stärkste Kraft des Landes. 26,6 Prozent stimmen für die Rechtspopulisten, die Sozialdemokraten von Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt landet bei 19,1 Prozent. Einem EU-Patentgericht stimmen die Dänen laut Prognosen parallel zu.

DEUTSCHLAND (96): Trotz Einbußen bestätigen die Unionsparteien in Deutschland ihre Vorrangstellung. Die SPD legt nach ihrem Tief 2009 deutlich zu. Die euroskeptische Alternative für Deutschland (AfD) erreicht bei ihrer ersten Europawahl 7,0 Prozent und damit sieben Sitze im EU-Parlament.

ESTLAND (6): In Estland erringt die regierende wirtschaftsliberale Reformpartei zwei Mandate, ihr sozialdemokratischer Koalitionspartner erhält einen Sitz. Die beiden Oppositionsparteien schicken je einen Parlamentarier nach Straßburg, ein weiterer der sechs estnischen Sitze geht an einen unabhängigen Kandidaten.

FINNLAND (13): Die rechtspopulistische Partei Wahre Finnen liegt laut vorläufigem Endergebnis bei fast 13 Prozent der Stimmen und käme damit auf zwei Sitze im neuen EU-Parlament. Stärkste Kraft wird mit 22,6 Prozent die zu den europäischen Konservativen gehörende Nationale Koalitionspartei, auf Rang zwei kommt die Zentrumspartei mit 19,7 Prozent.

FRANKREICH (74): Die rechtsextreme Front National kam nach Angaben des Innenministeriums auf 24,9 Prozent (2009: 6,3) und lag damit erstmals bei einer nationalen Wahl vorn. Die konservative UMP wurde mit 20,8 Prozent zweitstärkste Kraft (2009: 27,9). Abgeschlagen landeten die regierenden Sozialisten bei 14 Prozent (2009: 16,5). Die Wahlbeteiligung stieg nach 40,6 Prozent in 2009 auf nun 42,4 Prozent.

GRIECHENLAND (21): Die oppositionellen radikalen Linken (Syriza) um den europaweiten Linken-Spitzenkandidaten Alexis Tsipras sind mit 26,6 Prozent stärkste Kraft im Euro-Krisenland. Tsipras fordert deshalb vorgezogene Parlamentswahlen. Mit 22,7 Prozent landet die konservative Regierungspartei Nea Dimokratia auf Platz zwei. Die rechtsradikal-rassistische Goldenen Morgenröte erreicht 9,4 Prozent - obwohl die gesamte Führung der Partei in Untersuchungshaft sitzt.

GROSSBRITANNIEN (73): Deutlicher Erfolg und rund 27,5 Prozent für die rechtspopulistische UKIP. Die Partei schickt 24 Abgeordnete nach Straßburg, elf mehr als bisher. Parteichef Nigel Farage bezeichnet den Wahlausgang als "außergewöhnlichstes Ergebnis seit 100 Jahren". Einbußen müssen die Konservativen von Premierminister David Cameron hinnehmen. Die Auszählung war am Montag noch nicht beendet.

IRLAND (11): Die irischen Wähler strafen ihre Regierung ab. Die konservative Fine-Gael-Partei von Premier Enda Kenny kommt laut Hochrechnung nur auf 22 Prozent, die mitregierenden Sozialdemokraten erzielen nur sechs Prozent. Unabhängige profitieren. 17 Prozent stimmen für die linksgerichtete Sinn-Fein-Partei um Ex-IRA-Mann Gerry Adams.

ITALIEN (73): Die Demokratische Partei (PD) von Regierungschef Matteo Renzi hat die erste Bewährungsprobe nach dem Machtantritt bestanden. Nach Auszählung fast aller Stimmen sieht sie am Montag bei 40,8 Prozent. Dahinter folgt die populistische Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) des Komikers Beppe Grillo mit gut 21 Prozent. Platz drei und 16,8 Prozent gibt es für die konservative Forza Italia (FI) von Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi. Die rechtspopulistische Lega Nord legte zu und dürfte mit gut sechs Prozent auf fünf Sitze kommen.

KROATIEN (11): Die oppositionellen Konservativen (HDZ) siegen bei der ersten Europawahl in Kroatien klar. Nach Angaben der staatlichen Wahlkommission vom Montag erreichen sie 41,4 Prozent der Stimmen. Die regierenden Sozialdemokraten kommen auf etwa 30 Prozent. Auch die Grünen werden im EU-Parlament mit einem Abgeordneten vertreten sein.

LETTLAND (8): Großer Gewinner in Lettland ist der EU-freundliche Einheitsblock von Regierungschefin Laimdota Straujuma mit vier der acht lettischen Sitze. Mit der Russischen Union Lettlands gewinnt auch eine prorussische Partei ein Mandat im EU-Parlament. Je ein Sitz geht an das Harmoniezentrum und die beiden anderen Mitte-Rechts-Regierungsparteien.

LITAUEN (11): Die oppositionellen Christdemokraten liegen knapp vor den regierenden Sozialdemokraten. Drittstärkste Kraft wurden die Liberalen vor den drei anderen Koalitionsparteien. Auch dem Bauern- und Grünenbund gelang der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde.

LUXEMBURG (6): Die drei luxemburgischen Regierungsparteien verlieren Stimmen. Die oppositionelle Christlich-Soziale Volkspartei (CSV) des einstigen Regierungschefs Jean-Claude Juncker verbucht dagegen einen Stimmenzugewinn von 6,3 Prozent. Insgesamt kommt sie auf 37,7 Prozent und stellt damit drei der sechs EU-Abgeordneten des Großherzogtums.

MALTA (6): Hochrechnungen aus der Nacht sehen die Labour Partei von Regierungschef Joseph Muscat in Malta deutlich vorn. Die Partei kommt auf mehr als die Hälfte der Stimmen. Für die größte oppositionelle Partei, die konservative Nationalistische Partei, stimmen rund 40 Prozent. Gut 75 Prozent der Wahlberechtigten gingen an die Urne.

NIEDERLANDE (26): Die Anti-Europa-Partei des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders kann trotz Verlusten vier Abgeordnete nach Straßburg schicken. Etwas stärker schneiden die europafreundlichen Christdemokraten und die linksliberale Partei D66 ab. Für die rechtsliberalen und sozialdemokratischen Regierungsparteien gibt es je drei Sitze.

ÖSTERREICH (18): Das politische Erdbeben bleibt in Österreich aus. Die konservative ÖVP bleibt laut vorläufigem Endergebnis stärkste Kraft. Zweitstärkste Partei hinter den Konservativen wird demnach die sozialdemokratische SPÖ. Die rechte FPÖ legt mit etwa 20,5 Prozent deutlich zu. Auch die Grünen gewannen deutlich hinzu.

POLEN (51): Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der nationalkonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit" und der liberalen Bürgerplattform von Regierungschef Donald Tusk. Beide liegen am Montagmorgen über 30 Prozent. Als Folge des Scheiterns des Linksbündnisses "Europa Plus" an der Fünf-Prozent-Hürde erklärt Ex-Präsident Aleksander Kwasniewski seinen Rückzug aus der aktiven Politik.

PORTUGAL (21): Eine Woche nach dem Verlassen des EU-Rettungsschirms verpassen Portugals Wähler der konservativen Regierung einen Denkzettel. Die "Allianz Portugal" der Koalitionspartner PSD und CDS/PP liegt mit heftigen Verlusten und 27,7 Prozent der Stimmen auf Rang zwei hinter der Sozialistischen Partei, die laut vorläufigen amtlichen Ergebnissen auf 31,45 Prozent kommt.

RUMÄNIEN (32): Rumäniens regierende Sozialisten (PSD) haben die Wahl haushoch gewonnen. Nach Angaben des zentralen Wahlbüros vom Montag nach Auszählung der Stimmen aus fast allen Wahllokalen kommt die Partei des Ministerpräsidenten Victor Ponta auf 37,4 Prozent der Wählerstimmen. Zweitstärkste Kraft ist demnach die oppositionelle Nationalliberale Partei (PNL) mit rund 14,9 Prozent.

SCHWEDEN (20): Vier Monate vor der Parlamentswahl verpassen die Schweden ihrer Regierung einen kräftigen Dämpfer. Einer Hochrechnung zufolge erreichte die konservative "Moderate Sammlungspartei" von Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt nur 13,6 Prozent der Stimmen. Sie liegt hinter den Sozialdemokraten (24,4 Prozent) und den Grünen (15,3 Prozent). Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten erreichen 9,7 Prozent und somit erstmals Parlamentssitze in Straßburg.

SLOWAKEI (13): Neuer Negativrekord für die Slowakei: Nur 13 Prozent der Stimmberechtigten gehen laut offiziellem Ergebnis wählen. Die sozialdemokratische Regierungspartei siegt und bekommt vier Sitze im EU-Parlament, die restlichen neun verteilen sich auf sieben Splitterparteien. Die rechtspopulistische Slowakische Nationalpartei (SNS) verfehlt den Einzug ins EU-Parlament deutlich.

SLOWENIEN (8): Wie erwartet siegt in Slowenien die oppositionelle SDS-Partei. Bei miserabler Wahlbeteiligung von gut 21 Prozent stimmt etwa jeder vierte Wähler laut Hochrechnung für die SDS, was drei Sitze in Straßburg bedeutet. Eine konservative Liste erzielt zwei Mandate, je einen Abgeordneten stellen die Rentnerpartei, eine Bürgerplattform und die regierenden Sozialdemokraten.

SPANIEN (54): Die großen Parteien werden ordentlich abgestraft. Die regierende konservative Volkspartei (PP) und die stärkste Oppositionskraft, die Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE), erleiden herbe Verluste. "Historische Strafe", titelt die rechtsliberale Zeitung "El Mundo". PP bleibt mit rund 26 Prozent dennoch stärkste Kraft. Von den Verlusten der Großparteien profitieren vor allem linksgerichtete Bündnisse und regionale Parteien.

TSCHECHIEN (21): Die Wahlbeteiligung liegt in Tschechien bei nur 18,2 Prozent. Nur vier Monate nach Amtsantritt erleidet Ministerpräsident Bohuslav Sobotka eine Wahlschlappe, seine sozialdemokratische CSSD verliert laut tschechischem Statistikamt drei der bisherigen sieben Parlamentssitze. Stärkste Kraft wird der Koalitionspartner ANO des Großunternehmers Andrej Babis mit 16,1 Prozent.

UNGARN (21): Die regierende rechtskonservative Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orban gewinnt laut der ungarischen Wahlkommission haushoch mit 51,5 Prozent der Stimmen. Erstmals überholt die offen rassistische und antisemitische Oppositionspartei Jobbik (Die Besseren) die Sozialistische Partei (MSZP) bei einer Wahl. Jobbik kam auf 14,7 Prozent der Stimmen, MSZP auf 10,9 Prozent.

ZYPERN (6): Deutlicher Sieg für die proeuropäische konservative Partei Demokratische Gesamtbewegung (DISY). Nach Auszählung von 90 Prozent der Stimmen kommt sie auf knapp 38 Prozent. Zweitstärkste Kraft wird die Linkspartei AKEL mit rund 27 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag trotz Wahlpflicht bei nur knapp 44 Prozent.

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