Lehrermangel in Deutschland So werden in Bonn aus Quereinsteigern Lehrer

Bonn/Köln · Es herrscht akuter Lehrermangel in Deutschland. Eine Chance für Menschen, die sich beruflich umorientieren wollen. In Bonn ist das möglich.

In Grundschulen herrscht derzeit Lehrermangel.

In Grundschulen herrscht derzeit Lehrermangel.

Foto: dpa

Ursprünglich wollte sie überhaupt keine Lehrerin werden. Heute steht Svenja Müller (Name geändert) kurz davor, ausgerechnet jenen Beruf zu ergreifen, dem sie im Alter von 20 Jahren noch so wenig abgewinnen konnte. „Ich habe damals einfach mitbekommen, wie oft Lehrer gesundheitlich angeschlagen sind“, erklärt die 36-jährige Kölnerin ihre früheren Vorbehalte.

Nach ihrem Studium an der Sporthochschule Köln habe sie dann jedoch schnell gemerkt, dass der Lehrerberuf eigentlich genau das Richtige für sie ist. Heute ist sie mit ihrer Einstellung eine Hoffnungsträgerin. Denn Lehrer sind Mangelware. Laut der Bezirksregierung Köln sind derzeit 61 Stellen an Kölner Schulen unbesetzt. Im Rhein-Sieg-Kreis sind es immerhin 20. Vor allem Grundschulen und Berufskollegs leiden unter dem Mangel an Lehrern.

Einmal pro Woche Seminare in Bonn

Um das zu ändern, bietet das Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung in Bonn seit März 2017 Weiterbildungen für Seiteneinsteiger an. In den Fächern Englisch, Kunst, Musik oder Sport sollen die Teilnehmer innerhalb eines Jahres für den Lehrerberuf fit gemacht werden. Svenja Müller ist eine von ihnen.

Derzeit arbeitet die zweifache Mutter, die in Bonn zur Schule gegangen ist, bereits als Lehrerin an einer Grundschule im Rheinisch-Bergischen Kreis. Sie ist mit einem befristeten Vertrag ausgestattet, der so lange gültig ist, bis die Weiterbildung abgeschlossen ist. Einmal in der Woche hat sie zudem Seminare in Bonn.

„Die pädagogischen Inhalte sind für mich nicht unbedingt neu, weil ich während des Studiums und meiner weiteren beruflichen Stationen schon in verschiedenen Schulen gearbeitet habe“, erklärt sie. Neben den sogenannten Kernseminaren, in denen zum Beispiel Didaktik vermittelt wird, werden Fachseminare abgehalten, in denen die Anforderungen der einzelnen Fächer im Fokus stehen. Bei der Arbeit in der Schule wird Müller zusätzlich von ihren Anleitern unterstützt. Seit mehr als einem halben Jahr geht das schon so.

Seiteneinsteiger sind Willkommen

„Ich habe eigentlich die ganze Zeit auf eine Möglichkeit zum Seiteneinstieg gewartet. Jetzt habe ich die Chance ergriffen“, freut Müller sich über diese Möglichkeit, sich beruflich umzuorientieren. Sie verstehe zwar die Sorgen einiger Eltern, aber „ich bin der Meinung, dass Seiteneinsteiger ebenso gut für den Lehrerberuf geeignet sind wie ehemalige Lehramtsstudenten“.

Umgekehrt komme es schließlich auch vor, dass Menschen erst auf Lehramt studieren, um später festzustellen, dass es ihnen schwer fällt, vor Gruppen zu stehen und Kinder zu unterrichten. Außerdem stellt das Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung klar, dass mit dem Seiteneinstieg keinesfalls „ein Erwerb der Lehramtsbefähigung“ verbunden ist. Die Teilnehmer der Weiterbildung erhielten nur eine „Unterrichtserlaubnis für das jeweilige Fach“. Wobei es möglich sei, den Absolventen später eine Dauerbeschäftigung als Lehrer zu ermöglichen.

Auf ein solches Szenario hofft Müller: „Ich wünsche mir natürlich, dass mein Vertrag entfristet wird und ich weiter an der Grundschule arbeiten kann, an der ich gerade unterrichte.“ Ihrer Meinung nach können Seiteneinsteiger wie sie außerdem einen großen Teil dazu beitragen, die Situation an den Schulen zu verbessern. „Wir sind beruflich erfahren und haben uns nach guter Überlegung für diesen Schritt entschieden“, spricht Müller für ihr Seiteneinsteiger-Team. Kinder und Eltern könnten von dieser Erfahrung profitieren.

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