Interview mit Thomas Kutschaty SPD-Fraktionschef hält Polizeigesetz in NRW für verfassungswidrig

Düsseldorf · Der Chef der SPD-Fraktion, Thomas Kutschaty, spricht im Interview über die Pläne der Landesregierung, den Fall Schulze Föcking und wer 2022 als Spitzenkandidat gegen Armin Laschet antreten wird.

Herr Kutschaty, Sie sind Oppositionsführer im Landtag, die Landesregierung bietet Ihnen gerade mit der Hacker-Affäre von Umweltministerin Christina Schulze Föcking eine Steilvorlage – und von Ihnen ist nichts zu hören. Warum nicht?

Kutschaty: Deutlicher Widerspruch: Die SPD hat sich schon früh und umfassend zu dem Fall geäußert. Wir waren es schließlich auch, die das Thema auf die parlamentarische Tagesordnung gebracht haben. Jetzt wird es wohl einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) geben müssen.

Wie werden Sie das begründen?

Kutschaty: Genau genommen handelt es sich beim Fall Schulze Föcking nicht nur um einen, sondern inzwischen um drei Fälle: Wie steht es um den Tierschutz im eigenen Familienbetrieb? Zweitens konnte sie bisher nicht erklären, warum sie die Stabsstelle Umweltkriminalität in ihrem Ministerium auflöste. Und drittens fühlen sich die Abgeordneten hinters Licht geführt, weil die Ministerin nicht sagte, dass es in Wahrheit gar keinen Hackerangriff auf ihren Fernseher gab, obwohl sie das schon länger wusste.

Muss Ministerpräsident Armin Laschet seine Umweltministerin entlassen?

Kutschaty: Er muss sich Gedanken machen, ob Frau Schulze Föcking noch in der Lage ist, dieses Amt weiterzuführen. Wir wollen umfangreiche Aufklärung – daher der Untersuchungsausschuss.

Wo bietet die Landesregierung aus Sicht der Opposition noch Angriffsflächen?

Kutschaty: Das Kabinett per se ist eine Angriffsfläche. Wir werden die Landesregierung an ihren Versprechen messen: NRW ist auch ein Jahr nach der Wahl noch Stauland Nummer eins, die Staus sind sogar länger, die Bahn ist unpünktlicher geworden. Auch bei der inneren Sicherheit bricht die Landesregierung Wahlversprechen. Sie hatte mehr Polizei versprochen, jetzt sind die Neueinstellungen genau so hoch wie von der SPD geplant. Nur die Verteilung der Polizisten ist eine andere: Mehr bei ihrem Klientel auf dem Land und weniger in den Städten, wo sie notwendiger wären.

Die Pläne der Landesregierung zur inneren Sicherheit gehen doch weit über Neueinstellungen hinaus, wie das neue Polizeigesetz zeigt.

Kutschaty: Das Polizeigesetz wird keinen wirksamen Beitrag zur Terrorbekämpfung leisten. Es folgt dem Motto: Wir wollen wenig über viele Personen wissen. Besser wäre viel über die wenigen Personen zu wissen, die unser Land gefährden.

Ist es nicht wirkungsvoll, wenn Terrorverdächtige demnächst vier Wochen in Gewahrsam genommen werden können, wie es das neue Gesetz der Landesregierung vorsieht?

Kutschaty: Es ist verfassungswidrig, wenn eine Person bei einem bloßen Verdacht ohne richterlichen Beschluss vier Wochen in Untersuchungshaft sitzt. Wenn das neue Polizeigesetz so bleibt, wird es dagegen Klagen geben. Der Innenminister irrt, wenn er meint, es sei besser, lieber einen Unschuldigen wegzusperren als einen Terroranschlag zu riskieren – er sollte Nachhilfe in Rechtskunde nehmen.

Was muss passieren, damit die NRW-SPD wieder zu einer schlagkräftigen Opposition wird?

Kutschaty: Nach der verlorenen Landtagswahl und der Debatte um die große Koalition in Berlin waren wir zu lange mit uns beschäftigt. Wir müssen die SPD verbessern, das Verb gefällt mir übrigens besser als „erneuern“. Jetzt stellen wir uns personell gerade neu auf – und nach dem Landesparteitag am 23. Juni sind wir in vollem Umfang wieder da.

Rechnen Sie mit einer Gegenkandidatur zu Sebastian Hartmann, der gerade vom Landesvorstand einstimmig nominiert wurde?

Kutschaty: Ich gehe nicht davon aus, dass es dazu kommt. Klar ist: Wenn Sebastian Hartmann antritt, werde ich nicht gegen ihn kandidieren.

Wie werden Partei- und Fraktionschef künftig zusammen arbeiten?

Kutschaty: Wir haben uns neulich auf ein Bier am Rheinufer getroffen und werden uns auch zukünftig regelmäßig austauschen und abstimmen.

Wie Sie so hat auch Herr Hartmann schon durchblicken lassen, dass er 2022 als Spitzenkandidat gegen Armin Laschet antreten würde. Dann werden Sie sich ja bis dahin schön gegenseitig belauern und darauf achten, dass der andere sich nicht zu sehr profiliert...

Kutschaty: Die Entscheidung über den Spitzenkandidaten steht frühestens in drei Jahren an. Sonnenkönige wird es nicht mehr geben, wir nehmen uns fest vor, gut zusammenzuarbeiten. Jeder, der in diesen Wochen für ein Spitzenamt in der SPD kandidiert, muss willens und in der Lage sein, bei der nächsten Landtagswahl in vorderster Reihe anzutreten. Armin Laschet gebe ich maximal diese Legislaturperiode, dann wird sich seine Regierung spätestens aufgebraucht haben.

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