Skandal um Simon Vaut SPD-Politiker düpiert seine Partei vor Europawahl

POTSDAM · Simon Vaut wollte bei der Europawahl für die SPD in Brandenburg gewählt werden. Nun kam raus: Für die Kandidatur hatte der 41-Jährige wesentliche Teile seines Privatlebens erfunden.

 Kurze Karriere der Brandenburg-SPD: Simon Vaut.

Kurze Karriere der Brandenburg-SPD: Simon Vaut.

Foto: dpa

Erst eine kleine Lüge, dann eine größere Lüge, und dann war das ganze Kartenhaus nicht mehr zu halten: Zusammenbruch. Simon Vaut, Spitzenkandidat der Brandenburg-SPD für die Europawahl, ist abgetaucht.

Es heißt, er sei jetzt in Griechenland. Vor zwei Abenden saß der 41-Jährige – einst Redenschreiber des damaligen Außenministers Sigmar Gabriel – noch im Regine-Hildebrandt-Haus in Potsdam und legte in einem mehrstündigen Gespräch mit dem Generalsekretär der Landes-SPD, Erik Stohn, eine „Lebensbeichte“ ab. Ein Mann, dem laut Stohn eine Karriere mit allen Möglichkeiten hätte bevorstehen können, war gestolpert, ja tief gestürzt über eine Kandidatur für die Europawahl, für die er wesentliche Teile seines Privatlebens frei erfunden hatte.

Vaut, gebürtiger Hamburger mit erstem Wohnsitz in Berlin, hatte den Nominierungsparteitag der Brandenburg-SPD im September in Wildau mit Sätzen wie diesen begeistert: „Das Schönste an Berlin ist für mich der RE1 um 18:07 Uhr, der mich nach Brandenburg an der Havel bringt.“ Vaut gaukelte der Landes-SPD, die seit 30 Jahren in Brandenburg den Ministerpräsidenten stellt, eine perfekte Brandenburg-Idylle vor.

Eine nahezu perfekte Geschichte

Mit Wohnsitz Brandenburg an der Havel, mit einer Lebensgefährtin, die er zum Wahlparteitag mitgebracht und passend zur eigenen Legende zur Ur-Brandenburgerin gemacht hatte. Der Liebe wegen sei er zu seiner neuen Freundin nach Brandenburg gezogen, so Vaut, obwohl auch die Frau selbst im großen Berlin lebte.

Die Genossen jubelten ihm zu. Eine Mehrheit der 110 Delegierten wählte ihn in einer Kampfabstimmung mit sieben Stimmen Vorsprung vor Maja Wallstein und einem dritten Bewerber zum Spitzenkandidaten der Landes-SPD für die Europawahl. An diesem 22. September 2018 war der Brandenburger Simon Vaut geboren. Eine zunächst perfekte Geschichte, die sich Vaut ausgedacht hatte, weil er wohl nur so glaubte, im Kandidatenrennen gegen die echte Brandenburgerin Wallstein, geboren in Cottbus, wohnhaft in Potsdam, zu bestehen, wie sie heute im Regine-Hildebrandt-Haus vermuten.

Vauts Namen von der SPD-Liste zu streichen, ist nicht möglich

Dabei galt Vaut, heute Spitzenbeamter im Bundeswirtschaftsministerium, als verheißungsvolle Figur, zwar irgendwie aus dem Nichts in Brandenburg aufgetaucht, aber doch mit einem Eindruck, er könnte die Landes-SPD voranbringen. Doch Vaut bluffte, gab zunächst eine Adresse in Brandenburg/Havel an, in der er gar nicht wohnte. Später mietete er sich – auf dem Papier – bei einer SPD-Genossin ein und hatte damit eine echte Adresse in der Stadt. Der Schwindel flog auf, als Vauts vorgeschobene Lebensgefährtin sich dem lokalen Fernsehsender SKB offenbarte, weil sie nicht länger Teil der Lügengeschichte sein wollte.

Die Brandenburg-SPD ist geschockt. Landeschef Dietmar Woidke spricht von „Verantwortungslosigkeit und enttäuschtem Vertrauen“ und von „Schaden für die SPD“. Und wohl auch für sich selbst. Woidke will in fünf Monaten bei der Landtagswahl in Brandenburg wieder zum Ministerpräsident gewählt werden. Derzeit liegen SPD und CDU in Umfragen gleichauf, knapp gefolgt von der AfD. Woidke macht sich Mut: „Landtagswahlen sind Landtagswahlen. Ich glaube, dass die SPD auch diese Krise überstehen wird.“

Um die Kandidatur betrogen

Neben Woidke steht am Mittwoch Vauts einstige Mitbewerberin um die Spitzenkandidatur, Maja Wallstein, die damals zur Ersatzkandidatin gewählt worden war. Jetzt steigt Wallstein als echte Brandenburgerin in den Wahlkampf ein – auf Vauts Listenplatz 22 der bundesweiten SPD-Liste. Sie sagt: „Ich brenne für Europa.“ Vaut habe Wallstein „um die Kandidatur betrogen“, so Woidke.

Und: „Ich glaube, dass Simon Vaut den größten Schaden für sich selbst angerichtet hat.“ Nun wartet die SPD auf eine Unterschrift von Vaut: für eine Verzichtserklärung auf sein Europamandat, falls er denn ins Europaparlament gewählt würde. Denn „technisch“ ist es laut Woidke nicht mehr möglich, Vauts Namen von der Liste zu streichen. Wie sagte Vaut bei seiner Nominierungsrede? „Ich bin gekommen, um zu bleiben.“ Jetzt ist er gegangen worden.

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