Interview mit Thorsten Schäfer-Gümbel SPD: Vermögende sollen mehr Steuern zahlen

Berlin · Thorsten Schäfer-Gümbel leitet kommissarisch die SPD. Er ist der Meinung, dass Mulitmillionäre und Milliardäre einen größeren Beitrag für nötige Investitionen wie Infrastruktur und für Klimaschutz leisten sollen.

 Thorsten Schäfer-Gümbel Mitte Juni bei einer SPD-Konferenz in Thüringen.

Thorsten Schäfer-Gümbel Mitte Juni bei einer SPD-Konferenz in Thüringen.

Foto: Bodo Schackow

Wer soll nach den Plänen der SPD künftig in Deutschland Vermögensteuer zahlen?

Schäfer-Gümbel: Nach unseren Vorstellungen sollen diejenigen, die gerade in den vergangenen Jahren überproportional von der wirtschaftlichen Lage, selbst in der Finanzmarktkrise 2008/2009 profitiert haben, einen größeren Beitrag für die nötigen Investitionen leisten, also für die Infrastruktur, fürs Wohnen und für den Klimaschutz. Das sind vorrangig Multimillionäre und Milliardäre. Allein im kommunalen Bereich fehlen Investitionsmittel von 150 Milliarden Euro.

Gibt es keine anderen Möglichkeiten, diese kleine Gruppe höhere Beiträge leisten zu lassen?

Schäfer-Gümbel: Nein. Die OECD mahnt uns seit Jahren, große Vermögen stärker zu besteuern. Wir liegen da im internationalen Vergleich am unteren Ende. Im Kern gibt es zwei Möglichkeiten, große Vermögen zu besteuern: Das sind die Erbschaftsteuer und die Vermögensteuer. Wir haben gerade eine Reform der Erbschaftsteuer umgesetzt. Nach der komplizierten Operation bei der Reform, sehe ich nicht, was wir mit der Union dort noch erreichen können. Der klarere Weg, in Deutschland zu einer gerechteren Besteuerung zu kommen, ist deshalb die Wiedererhebung der Vermögensteuer.

Ab welchem Vermögen soll die Steuer gezahlt werden?

Schäfer-Gümbel: Das haben wir noch nicht endgültig festgelegt. Sicher ist, dass es um Multimillionäre und Milliardäre geht. Wir wollen auch Kapitalgesellschaften einbeziehen. Wir orientieren uns am Schweizer Modell. Dazu gehört, dass wir Regeln einbauen wollen, die bei wirtschaftlicher Schieflage zusätzliche Probleme verhindert. Deshalb sehen wir Verschonungsregeln vor. Wir wollen mit Freibeträge arbeiten, so dass die Vermögensteuer erst ab einem bestimmten Vermögenswert fällig wird.

Werden diese Vorkehrungen ausreichen, dass Sie Privat- und Betriebsvermögen hinreichend voneinander abgrenzen und die Vermögensteuer nicht die Substanz von Unternehmen angreift und damit Arbeitsplätze gefährdet?

Schäfer-Gümbel: Unsere Vermögensteuer wird keine Arbeitsplätze gefährden. Das hat nicht nur mit den Verschonungsregeln zu tun. Es geht um eine Steuer, die bei einem Prozent liegt. Wir denken allerdings über einen Stufentarif nach. Wir wollen zwischen Reichen und Superreichen unterscheiden. Der DGB hat dazu einen interessanten Vorschlag gemacht.

Die Wirtschaftsverbände widersprechen Ihnen und sagen: Eine Vermögensteuer wird die Entwicklung hemmen und am Ende Arbeitsplätze kosten...

Schäfer-Gümbel: Diesen Argumentationstypus hören wir jedes Mal, er ist aber bestenfalls ideologisch. Tatsächlich ist es so, dass in vielen Ländern der OECD ein höherer Anteil der Vermögensbesteuerung erreicht wird. In den USA liegt er bei vier Prozent, in Frankreich und Großbritannien bei über vier. Deutschland liegt deutlich unter dem OECD-Durchschnitt. Wenn wir die Vermögensteuer mit einem Prozent einführen, sehe ich nicht, dass das deutsche Unternehmen international schaden würde.

Die Länder, die Sie jetzt zum Vergleich angeführt haben, fordern dafür in vielen anderen Bereichen niedrigere Steuern als Deutschland. Sollen im Gegenzug zur Vermögensteuer andere Steuern sinken?

Schäfer-Gümbel: Unser Vorschlag ist, den Tarif bei der Einkommenssteuer so zu verändern, dass kleine und mittlere Einkommen entlastet werden, gilt.

Welche Summe pro Jahr wollen Sie mit der Vermögensteuer einnehmen?

Schäfer-Gümbel: Wir kalkulieren mit bis zu zehn Milliarden Euro, die aus einer Vermögensteuer kommen können.

Die Deutsche Steuergewerkschaft sagt, dass es mindestens zehn Milliarden Euro sein müssen, damit sich der Verwaltungsaufwand lohnt.

Schäfer-Gümbel: Dieses Argument kenne ich. Im Kern wird es bei der Vermögensteuer nicht anders sein als bei anderen Steuern, so dass man mit einem Verwaltungsaufwand von fünf bis acht Prozent des Ertrags rechnen muss.

Was macht Sie sicher, dass Ihr Modell der Vermögensteuer vor dem Verfassungsgericht Bestand haben wird?

Schäfer-Gümbel: Die Gründe, warum das Bundesverfassungsgericht in den 90er Jahren die Vermögensteuer ausgesetzt hat, lagen in der Bemessungsgrundlage, nämlich der unterschiedlichen Bewertung von Betriebs-und Privatvermögen. Das wollen wir mit einem neuen Bewertungsgrundsatz verändern. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht gesagt, dass eine Vermögensteuer verfassungswidrig ist, sondern nur die Art und Weise, wie sie umgesetzt wurde. Es gibt durch das Sozialstaatsprinzip sogar einen Verfassungsauftrag, Vermögen stärker zu besteuern.

Sehen Sie die Gefahr, dass die Superreichen bei Einführung einer Vermögensteuer ihren Wohnsitz ins Ausland verlagern werden?

Schäfer-Gümbel: Nein, die Gefahr sehe ich nicht. Wir wollen das Gesetz so gestalten, dass auch Auslandsvermögen eingezogen werden können – immer unter der Voraussetzung, dass durch Doppelsteuerabkommen keine anderen Regelungen gelten. Eine Vermögensteuer wird nur funktionieren, wenn der Druck auf die Steueroasen erhöht wird. Das Bewusstsein dafür wächst.

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