Kommentar zur Debatte um den Mordfall Susanna Sprachlos

Meinung | Mainz · Bei den unbegreiflichen Geschehnissen, fällt es schwer, den Fall Susanna sachlich zu analysieren, meint GA-Redakteur Nils Rüdel. Es ist höchste Zeit, dass der Staat handelt - und damit Befürwortern der Flüchtlingspolitik eine hilfreiche Grundlage gib.

 Blumen liegen neben und auf einem Foto in der Nähe des Leichenfundortes von Susanna F.

Blumen liegen neben und auf einem Foto in der Nähe des Leichenfundortes von Susanna F.

Foto: dpa

Zuerst die Fakten: Susanna, ein Mädchen von 14 Jahren, wurde vergewaltigt und ermordet. Tatverdächtig ist Ali B., 20, ein Asylbewerber aus dem Irak. Sein Antrag wurde 2016 abgelehnt, seine Klage dagegen ist immer noch anhängig. B. war mehrfach bei der Polizei auffällig, unter anderem wurde er in Zusammenhang mit der Vergewaltigung eines Kindes gebracht. Er blieb frei in Deutschland – und konnte sich absetzen, noch bevor im Fall Susanna nach ihm gefahndet wurde. B. setzte sich unbehelligt in den Irak ab – mit seiner ganzen Familie, per Linienflug von Düsseldorf, und zwar unter falschem Namen.

Diese Fakten sind unbegreiflich und machen es schwer, den Fall sachlich zu analysieren. Der Mord an Susanna ist ein abscheuliches Verbrechen, das sprachlos macht. Sprachlos machen aber auch die Umstände – und die Ahnung, wie viele Instanzen hier wahrscheinlich versagt haben.

Zwar kann noch niemand seriös beurteilen, inwieweit der Flüchtlings-Hintergrund B.s überhaupt mitursächlich war für die vorgeworfene Tat. In der öffentlichen Debatte aber spielt das keine Rolle: Der Fall platzt mitten hinein in die immer hitziger geführte Diskussion über den Umgang mit Flüchtlingen. Die Zutaten sind derart explosiv, dass das Gemisch den sozialen Frieden zu sprengen vermag. Die verschiedenen Gruppen haben sich ohnehin schon kaum mehr etwas zu sagen und es ist heute kaum noch möglich, vernünftig über das Thema zu reden.

Jene, die immer schon meinten, dass Flüchtlinge in Deutschland nur Sozialleistungen abgreifen und Straftaten begehen, fühlen sich bestätigt. Jene, für die Einwanderung etwas grundsätzlich Gutes ist, verweisen darauf, dass die meisten Verbrechen von „Biodeutschen“ begangenen werden. Dazwischen bewegen sich jene, die abwägen. Die hilfsbereit sind und Flüchtlinge nicht pauschal als Gefahr ansehen. Die aber auch realistisch sind und wissen, dass es Regeln gibt, die notfalls mit Härte durchgesetzt werden müssen.

Diese Gruppe der Rationalen hat es zunehmend schwer. Sie gerät unter Druck der Rechten und der Besorgten, die immer ungehemmter Stimmung gegen Migranten machen. Die Rationalen haben es auch deshalb immer schwerer, weil der Staat in der Flüchtlingsfrage weiterhin überfordert ist – und ihnen damit die Argumentationsgrundlage nimmt. Noch immer dauern die Verfahren viel zu lang, noch immer wird nicht konsequent abgeschoben, noch immer wird nicht genug getan, um die hier legal lebenden Flüchtlinge bei der Integration zu unterstützen. Die Staatseinnahmen quellen über, aber die Politik stattet die Instanzen noch immer nicht genügend aus.

So wird es immer schwerer, auch nach schrecklichen Verbrechen wie im Fall Susanna weiter für eine humanitäre Flüchtlingspolitik einzutreten. Höchste Zeit, dass der Staat den Befürwortern mit Taten zur Hilfe kommt. Sonst gibt es bald nicht mehr so viele.

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