Der holprige Weg zur Rettung Staat gibt neun Milliarden Euro an Lufthansa

Berlin · Der Staat verzichtet weitgehend auf Mitsprache und gibt neun Milliarden Euro. Aber er will mit Gewinn aussteigen. Insgesamt sollen rund 10.000 der 130.000 Stellen wegfallen. Der Kölner Ableger Germanwings mit rund 1400 Jobs wird geschlossen.

 Abgestellte Boeing 747 der Lufthansa: Der Konzern konnte eine überzogene Intervention des Staates abwehren, während der Bund sich sein Engagement halbwegs fair bezahlen lässt.

Abgestellte Boeing 747 der Lufthansa: Der Konzern konnte eine überzogene Intervention des Staates abwehren, während der Bund sich sein Engagement halbwegs fair bezahlen lässt.

Foto: dpa/Boris Roessler

Nach wochenlangem Streit hat die Bundesregierung der Lufthansa ein Angebot gemacht, wie der Staat den Fortbestand des Unternehmens trotz Corona-Krise sichern kann. Die Analyse zeigt: Der Konzern konnte eine überzogene Intervention des Staates abwehren, während der Bund sich sein Engagement halbwegs fair bezahlen lässt. Maximalforderungen von SPD, Grünen und Gewerkschaften sind gescheitert.

Die Details im Überblick:

Konstruktion: Die Lufthansa soll rund neun Milliarden Euro erhalten. Rund drei Milliarden Euro davon soll ein Kredit der staatlichen KfW-Bank sein, der nicht zum Billigtarif vergeben werden soll. Anfangs war von einem Zinssatz von neun Prozent die Rede, jetzt wird inoffiziell von einem Zinssatz zwischen vier und fünf Prozent gesprochen. Hinzu kommen eine zu verzinsende Wandelanleihe für Lufthansa sowie eine „stille Beteiligung“, die Lufthansa zusammen mehr als vier Miliarden Euro bringen dürften. Und als politisch wichtigsten Aspekt will der Bund 20 Prozent der Lufthansa-Aktien über eine Kapitalerhöhung erhalten. Dabei will er für die Aktien aber nicht den aktuellen Preis von 8,39 Euro zahlen, sondern nur den Nennwert von 2,56 Euro pro Papier, eventuell in Relation sogar noch weniger, weil die Aktionäre einen Kapitalschnitt hinnehmen sollen.

Gewinnbeteiligung: Falls sich die Lufthansa nach der Corona-Krise deutlich erholt, könnte der Bund das Paket mit einem hohen Profit verkaufen: Dazu eine Rechnung: Zum Preis von 2,56 Euro pro Papier würde er 20 Prozent des Unternehmens für 250 Millionen Euro erhalten. Falls sich der Lufthansa-Kurs aber wieder auf den Kurs von 17 Euro wie im Sommer 2019 erholt, wäre das Paket 1,6 Milliarden Euro wert. „Ich halte es für nachvollziehbar, dass der Bund seine Aktien günstig haben will“, sagt der Wirtschaftsprofessor Justus Haucap, „immerhin überlebt Lufthansa nur dank Staatskredites. Also muss der Bund bei einer Aufwärtsentwicklung einen hohen Anteil haben.“

Jobs/Strategie: Die Gewerkschaften sind enttäuscht, dass der Lufthansa-Vorstand keine Jobgarantien als Gegenleistung für die Staatshilfe geben muss. „Da hat Lufthansa jetzt freie Hand“, sagt Nicoley Baublies, Geschäftsführer der Flugbegleitergewerkschaft Ufo. Insgesamt sollen rund 10.000 der 130.000 Stellen wegfallen. Der Kölner Ableger Germanwings mit rund 1400 Jobs wird geschlossen, weil die Tarifverträge viel teurer sind als bei Eurowings. Germanwings arbeitet als Subunternehmen für Eurowings.

Umweltdebatte: Der Bund verzichtet darauf, Lufthansa aus Klimaschutzgründen den Verzicht auf innerdeutsche Flüge aufzuzwingen. „Gut so, innerdeutsche Flüge können am besten durch bessere ICE-Strecken statt durch Flugverbote vermieden werden“, sagt der FDP-Bundestagsabgeordnete Bernd Reuther. Die Grünen kritisieren zu lasche Umwelt- und Klimavorgaben des Bundes dagegen scharf. Immerhin dringt der Bund aber darauf, die Flugzeuge über das bisher geplante Maß hinaus durch abgasärmere und leisere Modelle von Airbus zu ersetzen. Doch der Lufthansa-Vorstand plant vorrangig das Ausrangieren von rund 100 der aktuell 700 Jets, weil er mit niedriger Nachfrage rechnet.

Wenig Mitsprache: Die SPD ist damit gescheitert, 25 Prozent der Anteile plus eine Aktie durchzusetzen, um eine Sperrminorität bei Lufthansa zu haben. Daran ändert wenig, dass die Wandelanleihe in Aktien umgetauscht werden könnte, weil dies nur bei einem öffentlichen Übernahmeangebot gelten würde. Ein solcher Übernahmeversuch ist aber unwahrscheinlich. Spannend wird indes sein, wem der Bund seine ihm zugesicherten zwei Aufsichtsratsmandate gibt. Es sollen keine Parteipolitiker sein, sondern Experten, die sich in der Branche auskennen, hatte der Bund zugesichert. Lufthansa-Chef Spohr hatte gewarnt: „Wir brauchen staatliche Unterstützung, keine staatliche Geschäftsführung.“

Umsetzung: Das Angebot der Bundesregierung liegt der Lufthansa seit vergangenem Mittwoch vor. Verhandelt wird dem Vernehmen nach jetzt nur noch über kleinere Details, etwa die Frage der Umweltbedingungen. Dann müssen die Gremien des Konzerns abschließend darüber beraten. Vorstand und Aufsichtsrat dürften den Deal in diesen Tagen absegnen, hieß es in Branchenkreisen.

Im nächsten Schritt muss das Entscheidungsgremium staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) die Einigung formal beschließen. Dies könne ebenfalls sehr schnell über digitale Kanäle geschehen, hieß es weiter. In Berlin wurde mit dem Beschluss des WSF spätestens zu Wochenbeginn gerechnet. Der Aufsichtsrat muss daraufhin eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen, die die Verabredungen absegnen muss. Hierfür gilt eine Ladungsfrist von vier Wochen. Diese Frist kann jedoch auf zwei Wochen verkürzt werden, wenn mehr als die Hälfte der Aktionäre anwesend sind.

Die größte Hürde wird eine Hauptversammlung sein, die mit zwei Drittel zustimmen muss. Viele Aktionäre werden den billigen Einstieg des Staates kritisieren. Unterbleibt die Zustimmung, gibt es keine Kredite, der Konkurs käme.

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