Weihnachtsansprache Steinmeier ruft zu Vertrauen in den Staat auf

Berlin · Weit verbreitetes Ohnmachtsgefühl und eine schleppende Regierungsbildung: Der Bundespräsident sieht viele Quellen von Verunsicherung - und versucht, Mut zu machen.

 "Wir leben in einer Zeit, die uns beständig mit Unerwartetem konfrontiert", sagte Steinmeier.

"Wir leben in einer Zeit, die uns beständig mit Unerwartetem konfrontiert", sagte Steinmeier.

Foto: Michael Kappeler

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Menschen in Deutschland zu Vertrauen in den Staat und gesellschaftlichem Engagement aufgerufen.

Angesichts der Rekorddauer bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung sagte Steinmeier in seiner Weihnachtsansprache: "Ich versichere Ihnen: Der Staat handelt nach den Regeln, die unsere Verfassung für eine Situation wie diese ausdrücklich vorsieht, auch wenn solche Regeln in den letzten Jahrzehnten nie gebraucht wurden." Steinmeier weiter: "Wir können Vertrauen haben."

Noch nie hat eine Regierungsbildung in der Bundesrepublik so lange gedauert wie derzeit. Anfang Januar starten Union und SPD ihre Sondierungen. Nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche von Union, FDP und Grünen hatte das Staatsoberhaupt Spitzenvertreter der Fraktionen und Parteien ins Schloss Bellevue eingeladen, um die Möglichkeiten für eine Regierungsbildung auszuloten. Der vormalige Außenminister trat sein Amt im März als Nachfolger von Joachim Gauck an.

"Wir leben in einer Zeit, die uns beständig mit Unerwartetem konfrontiert", sagte Steinmeier. "Sie verunsichert uns auch." Doch es gebe Grund zur Zuversicht. "Wären wir Menschen nicht auch mutig und offen für das Unerwartete, dann wären schon die Hirten vor Bethlehem auseinander gelaufen", so der Bundespräsident. "Und schließlich muss nicht alles Unerwartete uns das Fürchten lehren", betonte er. Das gelte auch für Regierungsbildungen, die ungewohnterweise auf sich warten lassen.

Steinmeier spannte einen Bogen zur Abwanderung aus ländlichen Regionen. Den Menschen im Land wünsche er einen "Augenblick der Stille zwischen den Jahren". Von Orten im Osten wie im Westen des Landes ohne Tankstelle und Lebensmittelgeschäft, mit immer weiteren Wegen zum Arzt und eingestellten Busverbindungen wisse er aber: "Es gibt eine Stille, die bedrohlich werden kann." Verstehen könne er, dass die Menschen dort unzufrieden seien und sich abgehängt fühlten.

Steinmeier rief zur Ermutigung von Menschen auf, die auch mit freiwilligem Engagement ihre Heimat als einen Ort erhalten, der Gründe gebe, zu bleiben. "Sie verdienen Unterstützung durch die Politik." Denn die Beispiele im Kleinen würden wichtig in den großen Zusammenhängen. "Sie zeigen uns: Wir sind den Verhältnissen nicht ausgeliefert." Ohnmacht und Entfremdung seien im Großen und im Kleinen zu überwinden, wenn die Menschen Verantwortung übernähmen.

"Wir sind ein Land geblieben, in dem wirtschaftliche Vernunft ebenso wie soziale Gerechtigkeit als Leitprinzipien für Politik gelten", unterstrich Steinmeier. "Und wir sind ein Land, das die Kraft und den Willen hat, Zusammenhalt zu bewahren und das Zusammenwachsen weiter zu befördern." Für beides gebe es weiterhin viel zu tun.

Steinmeier dankte den Krankenpflegern und -schwestern, Polizistinnen und Polizisten, Soldatinnen und Soldaten - "allen, die überall dort ihren Dienst tun, wo sie gebraucht werden".

Der Bundespräsident richtete sich an Christen, ausdrücklich aber auch an Menschen, die nicht in der christlichen Tradition aufgewachsen sind, die einer anderen oder gar keiner Religion angehören. Er appellierte an die Bürger: "Lassen Sie uns aufeinander Acht geben!"

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