NRW-Landtag Streit um die digitale Offensive

DÜSSELDORF · Die Digitaloffensive der NRW-Landesregierung hat einen heftigen Streit im NRW-Landtag entfacht. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hatte in ihrer ersten Regierungserklärung seit mehr als zwei Jahren die Herausforderungen des digitalen Wandels beschworen.

 Ein Kunstherz als Beleg für den Innovationsstandort NRW: Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gestern im Landtag in Düsseldorf.

Ein Kunstherz als Beleg für den Innovationsstandort NRW: Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gestern im Landtag in Düsseldorf.

Foto: dpa

Beim Neustart für die zweite Hälfte der Legislatur stellte Kraft den Ausbau des schnellen Internets auch im ländlichen Raum bis 2018 in den Vordergrund: In NRW sollen insgesamt 700 Millionen Euro EU-, Bundes- und Landesmittel in die Digitalisierung fließen. CDU-Oppositionschef Armin Laschet sprach von einer "bedenklichen Ökobilanz: Viel Verpackung, wenig Inhalt." Kein Plan, keine Strategie, keine Vision, klagte Laschet.

In ihrer Rede hatte Kraft auf 18 Seiten eine Sammlung digitaler Projekte in NRW aufgelistet. So sei NRW mit 23.000 Unternehmen und 100 Milliarden Euro Umsatz in der Kommunikations- und Informationstechnologie gut aufgestellt. Hochschulen wie die RWTH Aachen hätten eine Vorreiterrolle - etwa durch die Entwicklung eines Kunstherzens oder die Telemedizin.

FDP-Fraktionschef Christian Lindner kritisierte Krafts Programm ("MegaBits, MegaHerz, Megastark") als "Mega-Enttäuschung". Bisher habe NRW keine einzige messbare Initiative zur Digitalisierung eingebracht: Von 133 rot-grünen Anträgen in den letzten vier Jahren habe sich kein einziger mit der Digitalisierung befasst. "Sie können mit diesem neuen Thema nach dem Krisenjahr 2014 nicht ihren alten Problemen entfliehen", warnte Lindner.

Der FDP-Politiker forderte Rot-Grün auf, sich statt der "Maßnahmenhuberei" lieber mit dem eklatanten Mangel an Lehrern in den MINT-Fächern Mathematik. Informatik, Naturwissenschaften und Technik zu befassen. NRW steuere auf eine Bildungskatastrophe zu, wenn sich in den kommenden zehn Jahren die Zahl der MINT-Lehrer halbiere. Laschet vermisste im Projekt "NRW 4.0" ein Konzept, wie Investitionsklima, Wettbewerbsfähigkeit und Infrastruktur verbessert werden können. Andernfalls scheitere der digitale Traum an der analogen Realität, warnte Laschet.

Die Opposition warf Kraft vor, die Digitaloffensive aus taktischen Gründen auszurufen, um mit einem schick klingenden Thema von Schwächen abzulenken. Statt sich Projekte von Privatfirmen und Forschungseinrichtungen anzuheften, müsse sich das Land um die digitale Erfassung von Unterrichtsausfall oder die bessere Vernetzung von polizeilichen Fahndungsdateien kümmern.

Kraft, die auf kritische Zwischenrufe mehrfach dünnhäufig reagierte, sprach sich für kostenloses WLAN in Fußgängerzonen und eine moderne Verwaltung aus, die viele Behördengänge durch elektronische Angebote überflüssig mache. Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen will den Übergang vom "fossilen zum elektrischen Zeitalter" mitgestalten. SPD-Fraktionschef Norbert Römer sprach vor fast leeren SPD-Fraktionsreihen von einer "vierten industriellen Revolution".

Nicht ungeschickt versuchte Laschet, die Digital-Kampagne der Landesregierung als politische Werbeaktion der Staatskanzlei zu entzaubern. Die Ministerpräsidentin nannte dagegen die Entdeckung der Digitalisierung wortreich eine neue Chance für das Land. Während Kraft auf ihrem Spezialgebiet "Soziales" meist punktet, fiel die Reaktion auf ihre "Technik-Rede" im Landtag allerdings eher verhalten aus.

Digitaler Wandel in NRW

In ihrer Regierungserklärung hat Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) Ziele für den digitalen Wandel in Nordrhein-Westfalen definiert. Beispiele:

l Bis 2018 sollen alle noch fehlenden Kommunen im ländlichen Raum an das Hochgeschwindigkeitsinternet angeschlossen werden. Vor allem Gewerbegebiete sollen Zugang erhalten. Bis April wird dazu eine Studie zum Netzausbau ausgewertet.

l Das Land will die Kommunen mit 60 Millionen Euro unterstützen. Die kompletten Einnahmen aus der geplanten Versteigerung von Mobilfunkfrequenzen sollen in den Ausbau des schnellen Netzes investiert werden.

l Bis 2020 werden zukunftsträchtige Unternehmensgründungen aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen ("start-ups") mit insgesamt fast 70 Millionen Euro gefördert.

l Im Frühjahr soll das Verkehrsinfoportal NRW in den Regelbetrieb gehen. Es soll den Bürgern Informationen über die günstigste Route und das optimale Verkehrsmittel geben.

l Die Regierung will einen "digitalen Quartierslotsen" entwickeln lassen, der Bürgern alle Angebote ihres Stadtteils zeigt - von der Bücherei über Vereine bis hin zum Schwimmbad.

l Ab 2016 sollen die Bürger in NRW papierlos mit Behörden kommunizieren können. Der Gang zu Ämtern soll in vielen Fällen überflüssig werden.

l Bis 2017 sollen Einzahlungen an Behörden und Kommunen elektronisch abgewickelt werden können.

l Noch in diesem Jahr soll das Portal "Open.NRW" Daten, Dokumente und Informationen der Landesverwaltung offen und lizenzfrei zugänglich machen.

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