Wohnungsbau Streit um die Landesbauordnung in NRW

Düsseldorf · NRW-Bauministerin Scharrenbach will strengere Regeln für Neubauten kippen. Die Opposition sieht die Barrierefreiheit in Gefahr, die Immobilienwirtschaft jubelt.

 Steht in der Kritik: NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) möchte zunächst nach dem alten Recht von 2000 bauen lassen.

Steht in der Kritik: NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) möchte zunächst nach dem alten Recht von 2000 bauen lassen.

Foto: picture alliance / Federico Gamb

Gleich mit ihrer ersten größeren Amtshandlung als Landesbauministerin polarisiert Ina Scharrenbach (CDU). Die Opposition und die Behindertenverbände des Landes werfen der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung vor, die Interessen körperlich benachteiligter Menschen zu gefährden. Die Immobilienwirtschaft jubelt.

Wie im Koalitionsvertrag verabredet, hat Scharrenbach ein Moratorium für die Landesbauordnung angekündigt. Die im Dezember von der damals noch rot-grünen Landesregierung nach jahrelangen Verhandlungen beschlossenen Vorgaben für Neubauten soll frühestens Ende 2018 und damit ein Jahr später als bislang angekündigt in Kraft treten. Bis dahin sollen Bauanträge im Wesentlichen nach dem alten Recht aus dem Jahr 2000 genehmigt werden.

Damit kommen Bauherren vorerst vor allem um neue Auflagen für behindertengerechtes Bauen herum: Die Neuregelung sah vor, dass bei Neubauten mit mehr als acht Wohnungen eine, bei mehr als 15 Wohnungen zwei Wohneinheiten rollstuhlgerecht nutzbar sein müssen. Bei Neubauten mit mehr als zwei Wohnungen sollten die Wohnungen zumindest eines Geschosses vollständig barrierefrei sein. Die neue Landesregierung sieht in der Novelle ein Hemmnis für Neubauten, weil sie zu viele kostentreibende Auflagen enthalte. „Baukostensteigernde Regulierungen und Vorgaben werden wir auf den Prüfstand stellen. Das Ziel der neuen Landesregierung ist es, ein Klima für Neubau zu schaffen“, sagte Scharrenbachs Sprecher.

Vor allem in den Ballungsräumen in NRW herrscht Wohnungsnot. Einschlägigen Schätzungen zufolge werden landesweit jährlich 25 000 Wohnungen zu wenig gebaut. Experten machen dafür vor allem die gestiegenen Baukosten verantwortlich: Unterschiedliche Studien beziffern den Baukostenzuwachs innerhalb der letzten 15 Jahre auf knapp 50 Prozent.

Vorwürfe gegen Scharrenbach

Umgekehrt beklagen die Behindertenverbände, dass es vor allem an preiswerten Wohnungen für behinderte Menschen fehle. In NRW leben 350 000 Rollstuhlfahrer. Nach Angaben des Verbandes der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (VWD) ist eine rollstuhlgerechte Wohnung bis zu 15 Prozent teurer als eine reguläre. Der Verband lehnt die pauschalen Quoten der Novelle ab, weil der Bedarf regional sehr unterschiedlich sei. Er begrüßt deshalb das Moratorium. Andere Immobilienverbände argumentieren ähnlich.

Arndt Klocke, Fraktionschef der Grünen im Landtag, erhebt hingegen schwere persönliche Vorwürfe gegen Scharrenbach: „Scharrenbachs Schritt ist ein Dankeschön an ’Haus und Grund’ für die geleistete Wahlkampfhilfe.“ „Haus und Grund“ ist eine Interessenvereinigung von Immobilienbesitzern. Die Aussetzung der Bauordnung sei nicht nachvollziehbar. „Ein echter Fehlstart für die Ministerin“, meint Klocke.

Josef Neumann von der SPD-Fraktion im Landtag sagt: „Es ist zu befürchten, dass die vorgesehenen Verbesserungen bei der Barrierefreiheit von Gebäuden schlichtweg rückgängig gemacht werden.“ Entschieden ist das jedoch noch nicht. Nach den Parlamentsferien wird der Landtag sich mit dem Moratorium und einer Neufassung zur Neufassung der Landesbauordnung befassen.

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