Wenn Hochwasser auf Nachrichtenflaute trifft Sturm im Wasserglas

Bonn · Eine Sturmflut war es also, höher als erwartet und so schlimm wie seit zehn Jahren nicht mehr. Und dann auch noch an der Ostsee. Wenn Hochwasser auf Nachrichtenflaute trifft, dann spielt sich das eigentliche Drama in den Redaktionen ab.

 Nach der Sturmflut: Der Strand von Zempin auf der Insel Usedom.

Nach der Sturmflut: Der Strand von Zempin auf der Insel Usedom.

Foto: dpa

Eine Sturmflut war es also, höher als erwartet und so schlimm wie seit zehn Jahren nicht mehr. Und dann auch noch an der Ostsee. Wer sieht da nicht sofort den blanken Hans nach schönen Städten greifen? Wismar: dem Untergang geweiht. Greifswald: mannshoch unter Wasser. Kiel: von den Wellen verschlungen. Das Fernsehen gab wirklich alles, um das Drama ins rechte Licht zu setzen.

Reporterinnen hatten eigens ihre Landlust-Gummistiefel mitgebracht, um sich in die aufgepeitschte Ostsee zu stellen. Die Fellkragen der Outdoorjacken wetteiferten mit den Mikrofonpuscheln. Wäre es auch noch windig gewesen, bestimmt ein schöner Anblick. Aber es kam so, wie es kommen musste: Es passierte beinahe nichts, denn an der Ostsee kommt das Wasser, es geht auch sehr schnell wieder, weil es wie in der Badewanne hin und her schwappt. Wirklich hoch ist es auch nicht, weil die meisten Städte oberhalb der Flutränder liegen.

Sie ist eben nicht so groß, die Baltische See, und für Dramen eignet sie sich gar nicht. Der Sturm weht auch, aber nicht so stark und meistens vor dem Hochwasser. Der Schaden ist übersichtlich, denn Hochwasser ist ziemlich normal und es gibt Sperrwerke: Ein paar weggespülte Strände und Steilküstenteile – das gehört zu jedem Winter. Ein paar trottelige Autofahrer, die ihre Wagen nicht rechtzeitig aus der Überflutungszone gefahren hatten, und Hausbesitzer, die einen etwas feuchteren Keller haben. Nur das Fernsehen hält dagegen: Verzweifelt pressen die Reporter den notorisch unaufgeregten Feuerwehrleuten das Mikro unter die Nase. Die sagen dann immer nur, dass eigentlich nicht so viel los sei und vor zehn Jahren war es auch gar nicht schlimm. Wenn Hochwasser auf Nachrichtenflaute trifft, dann spielt sich das eigentliche Drama in den Redaktionen ab.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Grenzgänger
Kommentar zur CSU und der Inneren Sicherheit Grenzgänger