Untersuchungsausschuss SWR äußert sich zu Flut-Berichterstattung im Ahrtal

Mainz · Im Untersuchungsausschuss Flutkatastrophe im Mainzer Landtag geht es um die Berichterstattung des SWR. Und der Kreis Mayen-Koblenz berichtet von seinen Vorbereitungen auf das Unwetter.

Untersuchungsausschuss: SWR äußert sich zu Flut-Berichterstattung im Ahrtal
Foto: dpa/Boris Roessler

Dem SWR lag nach dessen Darstellung am Tag der Flutkatastrophe im nördlichen Rheinland-Pfalz 2021 ausschließlich eine amtliche Katastrophenwarnung für die Wetter-Berichterstattung vor - und zwar aus dem Kreis Vulkaneifel. Diese sei am 14. Juli um kurz nach 21 Uhr eingegangen, sagte der Abteilungsleiter Trimediale Medien, Joachim Görgen, am Freitag im Untersuchungsausschuss Flutkatastrophe des Landtags in Mainz.

„Wenn uns behördlicherseits solche Meldungen vorliegen, greifen wir die selbstverständlich sofort auf.“ Amtliche Warnmeldungen hätten in der Hierarchie für die Nachrichten und die Berichterstattung über das Wetter die höchste Bedeutung, gefolgt von den Einschätzungen der Meteorologen.

Die Flutkatastrophe sei „aufgrund der vorliegenden Informationen einfach nicht erwartbar“ gewesen, berichtete die Leiterin des SWR-Studios Koblenz, Renata Sappert. Zu dem Studio gehört das Regionalbüro Bad Neuenahr. Im Kreis Ahrweiler sei der Brand- und Katastrophenschutzinspekteur ab 18.00 Uhr nicht mehr erreichbar gewesen und habe auch nicht zurückgerufen. Beim Kontakt mit der Redaktion zwischen 11.00 und 12.00 Uhr habe er noch „sehr gelassen“ geklungen.

Görgen räumte ein, in der Wetter-Berichterstattung des SWR am 14. Juli sei nicht alles optimal gelaufen. Eine für den Abend (19.30 Uhr) geplante TV-Schalte zu einem Reporter im von der Flut betroffenen Kreis Ahrweiler etwa habe aus technischen Gründen nicht funktioniert. Die Übertragung nutzt Mobilfunk, das Netz im Ahrtal war aber an dem Abend eingeschränkt.

Der Sender habe daraus und aus einigen redaktionellen Abläufen Konsequenzen gezogen, sagte der Abteilungsleiter. Die Übertragungstechnik für die Reporter habe jetzt „vier Mal so viel Power“. An den redaktionellen Abläufen sei auch viel verändert und die Meldewege überprüft worden. Dazu gehöre der Appell an die Reporter, auch bei kleinen Ereignissen lieber zu früh als zu spät anzurufen. Dies habe bei der Warnung vor Sturmtief „Ylenia“ am 18. Februar bereits funktioniert. Die Reporter seien nachts nicht mehr nur in Bereitschaft gewesen - „sie waren in Teams unterwegs“.

Die Grünen-Vertreter im Untersuchungsausschuss wiesen darauf hin, dass niemand gegenüber dem SWR am Tag der Flutkatastrophe vom Verlautbarungsrecht Gebrauch gemacht habe. „Damit wäre der SWR verpflichtet worden, unverzüglich und unverändert eine amtliche Warnung vor dem Hochwasser über seine Kanäle auszuspielen“, sagte der Grünen-Obmann Carl-Bernhard von Heusinger. Das Umweltministerium der damaligen Ressortchefin Anne Spiegel sei von der Nutzung dieses Rechts ausgeschlossen.

Zu Beginn des Sitzungstags wurden Auszüge aus Kurznachrichten, Chats und E-Mails zwischen der damaligen Umweltministerin Spiegel, ihren Staatssekretären Erwin Manz und Katrin Eder (alle Grüne) sowie ihren Mitarbeitern verlesen. Einen großen Teil davon hatten die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) und Focus online bereits vor der Anhörung der jetzigen Bundesfamilienministerin am Freitag vergangener Woche veröffentlicht. Danach ging es unter anderem zwischen der Grünen-Politikerin sowie ihren Pressesprechern am Morgen nach der Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 darum, ein „Wording“ zu finden, dass sie rechtzeitig gewarnt hätten.

Verlesen wurde auch eine Kurznachricht von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) an Spiegel vom frühen Morgen nach der Katastrophe, dass die Lage in der Nacht eskaliert sei, die Umweltministerin ja sicher Bescheid wisse und Innenminister Roger Lewentz (SPD) vor Ort sei. In ihrer Antwort hatte Spiegel geschrieben, sie habe Dreyer in der Nacht nicht stören oder wecken wollen und selbst noch bis zwei Uhr telefoniert. Zu diesen Telefonaten war Spiegel im Untersuchungsausschuss auch befragt worden.

Im Landkreis Mayen-Koblenz hat es nach Angaben von Brand- und Katastrophenschutzinspekteur Rainer Nell schon zwei Tage vor der Unwetterkatastrophe eine Sitzung von Feuerwehrführern zur Vorbereitung auf einen möglichen Starkregen gegeben. Landrat Alexander Saftig (CDU) berichtete im Ausschuss von einem Feuerwehrmann, der mit Hinweis auf Wettervorhersagen gewarnt habe: „Da kommt etwas ganz Schlimmes.“ Nach Saftigs Angaben gibt es im Kreis drei Alarm- und Einsatzpläne für die Flüsse Rhein, Mosel und Nette.

Die Zusammenarbeit mit dem Landrat beschrieb Nell als sehr gut und eng. Er wisse aus Erfahrung: Wann immer er den Verwaltungschef brauche, sei er da. Saftig habe auch am Tag des Unwetters öfters mit ihm telefoniert. „Die erste Frage von ihm war immer: Soll ich vorbeikommen?“

Nell berichtete weiter, am 14. Juli seien unter anderem vorsorglich Hochwasserboote nach Mayen transportiert und Evakuierungsszenarien vorbereitet worden. Die Einsatzpläne, die mittags noch einmal überprüft worden seien, hätten gegriffen. „Wir hatten aber auch Glück, dass es uns nicht so stark getroffen hat wie andere.“ Er sei dem ehrenamtlicher Wehrführer, der schon Tage vor dem Starkregen-Ereignis vor einem schweren Unwetter gewarnt habe, heute noch dankbar. Laut Saftig konnten sich Bürger schon am 13. Juli frisch gefüllte Sandsäcke abholen. Im Kreis Mayen-Koblenz richtete der Starkregen deutlich weniger Zerstörungen an als etwa im Ahrtal.

Der Untersuchungsausschuss will die Flutkatastrophe mit insgesamt 135 Toten am 14./15. Juli aufklären. Allein 134 Menschen starben im Ahrtal, rund 750 Menschen wurden verletzt und das Tal zu großen Teilen zerstört. Viele Menschen leben nach wie vor in Ausweich- und Notquartieren.

(dpa)
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