Belieferung des EU-Marktes Das bedeutet das neue Tesla-Werk für Deutschland

Berlin · Tesla greift die deutschen Autobauer an: Das neue Werk in Brandenburg ermöglicht dem US-Hersteller die direkte Belieferung des europäischen Marktes.

 Die Wagen sind auch in der Gegenwart schon präsent in Berlin: Ein Tesla Model 3 im Showroom am Kudamm, beäugt von einer Passanton.

Die Wagen sind auch in der Gegenwart schon präsent in Berlin: Ein Tesla Model 3 im Showroom am Kudamm, beäugt von einer Passanton.

Foto: dpa/Soeren Stache

Vom Ausland aus betrachtet ist es ein nationaler Erfolg: „Tesla sucht sich Deutschland für seine nächste Giga-Fabrik aus“, so lautete die Überschrift der Nachrichtenagentur Bloomberg für den US-Nachrichtenmarkt. Die Entscheidung kam zwar nicht überraschend – Tesla hat schon länger einen Standort in Europa gesucht. Doch der exzentrische Firmengründer Elon Musk nutzte einen besonderen Anlass, um der deutschen Autoindustrie seine Herausforderung persönlich zu überbringen. Er gab die Standortentscheidung am Dienstagabend in Berlin bei der Verleihung des Goldenen Lenkrads bekannt – vor den versammelten Chefs von VW, Daimler und BMW.

Tausend Arbeitsplätze in der Nähe des hippen Berlin

Schon 2021 könnte die Zeit vorbei sein, in der die Elektroautos von Tesla umständlich aus den USA nach Europa schippern müssen, um zum Kunden zu gelangen. Wenn die Berliner Branchengerüchte stimmen, wird Tesla die Anlage in Grünheide errichten, eine Autostunde südöstlich der Berliner Innenstadt. Musk würde dort mehrere Tausend Arbeitsplätze schaffen, die in Brandenburg hochwillkommen sind. Zugleich stellt die Nähe zu den hippen Stadtteilen der Hauptstadt sicher, dass auch Spitzenkräfte aus der IT sich wohlfühlen.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zufolge haben die Regierungen in Berlin und Potsdam keine besonderen Versprechen gemacht, um Tesla nach Brandenburg zu locken. Deutschland war grundsätzlich schon länger in der engeren Wahl – die Frage war zum Schluss nur noch, welches Bundesland den begehrten High-Tech-Arbeitgeber bekommt. Im Gespräch waren auch das Rheinland und Niedersachsen. Der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke berichtete am Montag von sechsmonatigen Verhandlungen mit Tesla, in denen zuletzt die Verfügbarkeit von Ökostrom den Ausschlag gegeben habe.

Tesla beeilt sich derzeit, die Weltmärkte zu besetzen, bevor die elektrische Konkurrenz richtig aufwacht. In China hat das Unternehmen gerade seine erste Auslandsfabrik fertig gebaut: Dort stecken Batterie-Pioniere wie BYD und Geely bereits die Claims ab. Aber auch Deutschland hat mit dem i-Serie von BMW und demnächst mit dem ID.3 von Volkswagen eine Reihe von Angeboten vorzuweisen.

Die Lieferung der Teslas aus Übersee hat sich derweil als langwierig und nicht kundenfreundlich erwiesen. Das Fehlen eigener Produktionsstätten, Autohäuser und eines Servicenetzes machte sich zunehmend bemerkbar. Die Kunden der zweiten Generation kaufen eben nicht mehr nur aus blinder Begeisterung – sondern weil sie einfach ein gutes Auto wollen. Da gehört etwas Kundendienst dazu.

Experten sehen das Näherrücken der Konkurrenz aus den USA jedoch durchaus als positiven Impuls für die einheimischen Hersteller. „Wettbewerb hat schon immer dafür gesorgt, besser und schneller zu werden“, sagt Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research der Universität Duisburg-Essen. Entscheidend sei, dass Deutschland insgesamt zu einem starken Standort für die Elektromobilität werde. „Mit der Entscheidung von Elon Musk für Deutschland werden wir gestärkt“, sagt Dudenhöffer. Das nütze mehr als 100 Kanzler-Gipfel in Berlin.

Musk will in Brandenburg nicht nur Autos bauen, sondern auch Batterien. Das freut Wirtschaftsminister Altmaier besonders, denn der Minister sorgt sich schon lange wegen der asiatisch-amerikanischen Vormachtstellung bei der Herstellung der Auto-Akkus. Sie sind nicht nur das wertvollste Einzelteil eines E-Fahrzeugs. Bei einem Lieferstopp käme auch die hiesige Produktion zum Erliegen.

Mit dem neuen Tesla-Batteriewerk sieht Dudenhöffer Deutschland jedoch gut versorgt. Zusammen mit zwei deutschen Projekten gäbe es dann drei Anbieter – genug für gesunden Wettbewerb und eine hinreichende Auswahl für die Autohersteller. Ab jetzt könne Altmaier die Förderung auch zurückfahren, das Ziel einer vielfältigen Batteriezellfertigung vor Ort sei erfüllt. „Generell stärkt die Nachfrage durch Tesla die Zulieferstrukturen für die Elektromobilität in Deutschland“, sagt Dudenhöffer.

In Grünheide soll das neue Modell Y vom Band laufen

In Grünheide entstehen jedoch nicht nur Akkus, sondern auch ganze Autos. Dort soll das neue Modell Y vom Band laufen, ein voll durchdigitalisierter Stadtgeländewagen (SUV) auf Basis des vorhandenen Model 3. Diese Autos kommen bisher für den Weltmarkt aus der ursprünglichen Fabrik in Kalifornien – doch wegen der hohen Nachfrage produziert das Werk bereits an der Kapazitätsgrenze. Der Bau einer neuen Fertigung in Europa birgt aus Sicht des Unternehmens also nur wenig Risiko, am Markt vorbei zu investieren.

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