Porträt Tim Achtermeyer: Aus Bonn in die Landespolitik

BONN · Der Bonner Tim Achtermeyer ist seit zwei Monaten Landesvorsitzender der Grünen Jugend und wird die Politik wohl so schnell nicht loslassen. Ein Porträt.

 Aus Bonn in die Landespolitik: Tim Achtermeyer.

Aus Bonn in die Landespolitik: Tim Achtermeyer.

Foto: Benjamin Westhoff

Als Tim Achtermeyer noch ein kleiner Junge war, ist er oft bei seinen Verwandten in Holz am Niederrhein gewesen. Seit zehn Jahren gibt es den Ort nicht mehr, weggebaggert im Zuge des fortschreitenden Braunkohlegebiets Garzweiler. „Die Orientierungspunkte sind alle weg. Zur Energiegewinnung ist dort die Heimat vieler Menschen abgebaggert worden – auf Nimmerwiedersehen“, erzählt er im Gespräch mit dem GA. Für den inzwischen 24-jährigen Bonner Achtermeyer war es ein Stück Kindheit, das verloren gegangen ist. Doch die persönliche Geschichte ist nicht der Hauptgrund, warum er sich für das Ende des Braunkohletagebaus im Rheinischen Revier einsetzt.

„Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, dürfen wir keine weitere Abholzung zulassen und müssen die Emissionen stark herunterfahren“, sagt er. Seit Anfang November ist Achtermeyer einer von zwei Vorsitzenden der Grünen Jugend in Nordrhein-Westfalen. In dieser Funktion will er aber nicht nur mit politischen Forderungen für Furore sorgen, sondern auch mit Aktivitäten. „Wir müssen zum Beispiel im Hambacher Forst Flagge zeigen.“ Mehrfach sei die Grüne Jugend zuletzt dort gewesen, habe die Aktivisten unterstützt.

Für Achtermeyer sollte aber nicht nur die Jugendorganisation der Partei dort aktiv sein. „Die Grünen als Ganzes müssen wieder aktivistischer werden.“ Gerade nach der verlorenen Landtagswahl und in der Zeit der Suche nach politischer Orientierung wolle die Grüne Jugend die Gesamtpartei bei der Neuaufstellung gern unterstützen. Die Verkleinerung des Landesvorstandes finde er in dem Zusammenhang „in Ordnung“.

Gleichwohl lägen die Herausforderungen an anderen Stellen. So müsse die Partei „wieder näher an soziale und ökologische Bewegungen heran“. Wenn all das gelingt, sieht Achtermeyer für die Grünen sogar die Chance, „die Oppositionsführerschaft im Landtag anzutreten. Die SPD fällt doch zurzeit völlig aus in der Landespolitik.“

Mit gut 80 Prozent gewählt

Der Weg dorthin, also in die Landespolitik, war für ihn nicht vorgezeichnet. Als Schüler des Oberkasseler Ernst-Kalkuhl-Gymnasiums hatte er 2011 die landesweiten Bildungsstreiks mitorganisiert und saß für die Bezirksschülervertretung im Bonner Schulausschuss. Als ihm die Grünen dort einen Platz anboten, griff er zu und bekam so viel Spaß an der kommunalpolitischen Arbeit, dass er sich 2014 für den Rat aufstellen ließ. Er gewann ein Mandat, wollte im vorigen Jahr sogar Fraktionschef werden, doch solchen Ambitionen schoben seine älteren Parteifreunde dann doch noch einen Riegel vor.

Er schwenkte um und bewarb sich um den Landesvorsitz der Grünen Jugend, wurde auch mit gut 80 Prozent gewählt. Seinen Bachelor hat der Politikstudent inzwischen gemacht, jetzt folgt der Master. „Dann schaue ich mal, was ich damit mache.“ Schon jetzt könne er die Theorie im Studium und die praktische Politik gut verbinden.

Ein Beispiel: Bei seinen Untersuchungen habe er festgestellt, dass die Sozialstaatsinstrumente wie Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung nicht mehr geeignet seien, um den neuen Erwerbsbiografien mit viel mehr Arbeitsplatzwechseln und unsteten Gehaltsmodellen gerecht zu werden. Achtermeyer sieht darin – und da ist er wieder Politiker – einen Auftrag an seine Partei, Konzepte zu entwickeln.

Für den jungen Bonner kommt da die Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen gerade recht. Wenn immer mehr Jobs für gering Qualifizierte wegfielen, könne es womöglich sinnvoll sein, zum Beispiel gemeinnützige Arbeit besser zu finanzieren – ob nun durch den Staat oder über ein anderes Solidaritätsprinzip. „Die Diskussion darüber finde ich hochspannend“, sagt Achtermeyer. Ein Wort, das er oft und gern benutzt. Die Politik wird er wohl so schnell nicht loslassen.

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