Selbstmordanschlag in Kabul "True Warriors" gibt Überlebenden das Wort

Bonn · Vor vier Jahren wurden die Zuschauer im französischen Kulturzentrum von Kabul Teil eines Selbstmordanschlags. Der Dokumentarfilm „True Warriors“ (Wahre Krieger) nimmt die Beteiligten des Theaterstücks in den Fokus.

 Teilnehmer der Diskussion: Die Regisseure Ronja von Wurmb-Seibel und Niklas Schenck.

Teilnehmer der Diskussion: Die Regisseure Ronja von Wurmb-Seibel und Niklas Schenck.

Foto: Hermes

Vier Jahre ist es nun her, dass im französischen Kulturzentrum von Kabul ein Theaterstück aufgeführt wurde, in dem es um Selbstmordanschläge und Terrorismus ging. Während der Aufführung knallte es plötzlich und das Licht ging aus. „Manche Zuschauer haben geklatscht“, erinnert sich eine der afghanischen Darstellerinnen von damals, denn viele Besucher hatten den Eindruck, dass die Explosion Teil der Inszenierung war.

Bis sie erkennen mussten, dass sie sich mitten in der Realität befanden. Ein Selbstmordattentäter hatte sich im Zuschauerraum in die Luft gesprengt, dabei zwei Menschen getötet und weitere verletzt. Der Dokumentarfilm „True Warriors“ (Wahre Krieger) nimmt die Beteiligten des Theaterstücks in den Fokus, die während der Aufführung zu Betroffenen und Zeugen des Selbstmordanschlages wurden. Die Journalisten Niklas Schenck und Ronja von Wurmb-Seibel führten bei dem Film Regie.

Zwei Jahre hatten die beiden in Afghanistan gelebt und gearbeitet, als am Tag ihrer Abreise der Terroranschlag auf die ihnen bekannte Theatergruppe verübt wurde. Umgehend flogen sie zurück nach Kabul und trafen Überlebende des Terrors. Aus deren Aussagen ist ein eindrucksvoller Dokumentarfilm entstanden, der erlebbar macht, wie sie mit dem Terror der radikal-islamistischen Aufständischen umzugehen lernen. „Wir wollten zeigen, wie das Leben nach einem Terroranschlag weitergeht“, sagte Ronja von Wurmb-Seibel in der sich an den Film anschließenden Diskussion. Rund 100 Besucher waren am Montagabend in das Gustav-Stresemann-Institut (GSI) gekommen, wo der Film in einer ersten Kooperation zwischen GSI und Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) gezeigt wurde.

Die wenigen vom Ort des Geschehens existierenden Handyaufnahmen erinnerten an die Bilder, die sich seit 2015, dem Anschlag auf das Pariser Bataclan in das kollektive Gedächtnis eingebrannt haben. Von dort sind grauenvolle Aufnahmen in Erinnerung, bei „True Warriors“ hingegen fehlen solche Bilder.

Doch auch die Worte der Beteiligten, die zum Beispiel davon sprechen, das eigene Blut in den Händen gespürt oder den zerfetzten Körper des jungen Attentäters gesehen zu haben, lassen den Zuhörer nicht mehr los. „Wir brauchen die Kunst gegen unseren Schmerz“, sagt eine Schauspielerin. „In Afghanistan auf der Bühne zu stehen, ist wie eine Revolution“, eine andere. Für diese Schauspielerin sind Künstler die „wahren Krieger“. Und der Leiter einer Musikschule in Kabul sagt, dass man im Angesicht des Bösen nicht aufgeben werde: „Eine Nation lebt, wenn ihre Kultur lebt.“

Moderator Florian Weigand von der Deutschen Welle fragte Nils Wörmer, den Leiter des Teams für Außen-, Sicherheits- und Europapolitik der Konrad-Adenauer-Stiftung, ob er denn noch Hoffnung für Afghanistan habe. Seine Antwort: Die Konrad-Adenauer-Stiftung werde im Dezember turnusgemäß eine neue Büroleiterin nach Kabul schicken.

Qais Hatefi, Protagonist des Films und Ex-Pressesprecher des Institut Français in Kabul berichtete, dass die radikalen Islamisten in Afghanistan in der Minderheit seien. Wörmer erklärte, dass es sich bei den Taliban um rund 40 000 aktive Terroristen handele, von denen jährlich die Hälfte getötet werde. „Doch die Taliban haben keine Probleme, neue Kämpfer zu rekrutieren“, da es kaum eine Familie in Afghanistan gebe, in der nicht mindestens ein Mitglied durch den bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und ihren internationalen Verbündeten getötet wurde.

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