Umfrage Trumps Politik macht den Deutschen am meisten Angst

Berlin · Arbeitslos, abgehängt? Solche Ängste machen den Bundesbürgern zur Zeit wohl wenig zu schaffen. Anders als früher fürchten sie vor allem die Folgen von Politik - national wie international, zeigt die Umfrage "Die Ängste der Deutschen". Zu Recht?

 Eine Deutschlandfahne weht unter Gewitterwolken. Was macht den Bundesbürgern am meisten Angst?

Eine Deutschlandfahne weht unter Gewitterwolken. Was macht den Bundesbürgern am meisten Angst?

Foto: Rolf Vennenbernd

Wovor haben die Deutschen am meisten Angst? Die Antwort auf die traditionelle repräsentative Umfrage einer Versicherung klingt in diesem Jahr überraschend. Es ist Donald Trumps Politik - spürbar vor den Sorgen um Zuwanderung und Terrorismus.

Von rund 2300 Bundesbürgern ab 14 Jahren antworteten mehr als zwei Drittel (69 Prozent), dass Trumps Politik die Welt gefährlicher und ihnen Angst mache. Für Manfred Schmidt, Politikwissenschaftler an der Universität Heidelberg, ist dieses Ergebnis eine kleine Sensation. "So politisch war diese Umfrage noch nie", sagt er. Die Sorge vor Trump ist für ihn aber kein Auswuchs des gern belächelten Klischees einer "German Angst". Er hält sie für berechtigt.

Die Studie "Die Ängste der Deutschen" wird seit 1992 von der R+V-Versicherung in Auftrag gegeben. Die Umfrage, die in diesem Jahr im Juni und Juli lief, gilt Wissenschaftlern als Seismograph der Befindlichkeiten rund um Politik, Wirtschaft, Umwelt, Familie, Gesundheit und privater Sorgen - samt Langzeit-Effekt. Forscher Schmidt analysiert die Umfrage zum 14. Mal. Er hält die Bundesbürger mit dieser Erfahrung nicht für Angsthasen, sondern als recht realistisch in ihrem Urteil.

Die Ergebnisse hängen aber auch immer davon ab, wie man fragt. Trump als potenzieller Angstmacher sei in diesem Jahr in der Umfrage neu dazugekommen, sagt Brigitte Römstedt für die R+V-Versicherung. Nach der Wirkung der Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin oder seines türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan fragten die Interviewer nicht. Neu war auch die Frage, ob der Klimawandel dramatische Folgen hat.

"Es braucht zwei Rahmenbedingungen, damit Angst erzeugt wird", erläutert Schmidt. "Einmal, dass die Medien regelmäßig und mit gehörigem Nachdruck über ein Thema berichten. Und zum zweiten, dass die Politik in großem Umfang eingeschaltet ist."

Für irrational hält Schmidt die Sorge vor Trumps Politik deshalb nicht. "Er sorgt in den internationalen Beziehungen für ein großes Maß an Unberechenbarkeit und Destabilisierung", ergänzt er. "Die Deutschen fürchten Trumps Attacken gegen Europa. Und speziell die Angriffe auf deutsche Handelsgüter und damit verbundene Kosten." Dazu stelle der US-Präsident im Grunde die militärische Sicherung der Bundesrepublik durch die Nato in Frage. "Er bringt etwas ins Wanken, was absolut als stabiler Pfeiler galt", sagt Schmidt. "Die Deutschen fühlen sich als Staatsbürger von ihm persönlich angegriffen."

Weniger überraschend sind für den Forscher dagegen die großen Sorgen im Zusammenhang mit der Zuwanderungsdebatte. Um sechs Prozent stieg im Vergleich zum Vorjahr die Angst vor einer Überforderung durch Flüchtlinge - im Osten und Süden des Landes insgesamt stärker als im Westen und Norden. Mit 63 Prozent liegt diese Angst nach Trump damit auf Platz zwei - gleichauf mit der Sorge vor Spannungen bei einem weiteren Zuzug von Ausländern. Dicht folgt darauf auf Platz vier mit 61 Prozent die Angst vor einer Überforderung der Politiker. "Das ist ein katastrophales Urteil", konstatiert Schmidt. Fast die Hälfte der Bürger (48 Prozent) bewerte die Arbeit von Politikern inzwischen mit den Schulnoten mangelhaft oder ungenügend.

Das alles spiegele die gewachsenen außen- wie innenpolitischen Probleme wieder, analysiert er. Neben Trump gebe es ja keine Pause bei den Themen Zuwanderung und Integration. "Ich sehe auch das als Realismus, nicht als irrationale Angst", ergänzt er. "Es ist ja nicht gerade beruhigend, wenn es einen starken Zustrom aus anderen Kulturkreisen gibt. Vor allem aus Regionen, in denen sehr viel mehr Gewaltbereitschaft herrscht als bei uns." Der lange Streit um die Bildung einer neuen Bundesregierung und der Unfrieden in der Union über die Zuwanderungsfrage werde ebenfalls sehr sensibel wahrgenommen.

Gesunken ist dagegen die Mega-Angst der vergangenen Jahre: Terroristische Anschläge fürchten 59 Prozent der Befragten - zwölf Prozent weniger als vor einem Jahr. Das hänge vermutlich damit zusammen, dass es in Deutschland keine weiteren großen Terrorakte gab, sagt Römstedt.

Hartnäckig wachsam bleiben die Bundesbürger bei der EU-Schuldenkrise. Mehr als der Hälfte (58 Prozent) machen die Kosten für Steuerzahler weiter Angst. "Seit Jahren beobachten wir, dass sich die Befragten hier ein unabhängiges Urteil jenseits politischer Verlautbarungen bilden", sagt Schmidt.

Der Wissenschaftler sieht auch einen großen Realismus, was die Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage betrifft. "Da sind die großen Probleme nicht mehr vorhanden, und das wird von der großen Mehrheit auch registriert", sagt er. Nur noch jeder vierte Deutsche fürchte, seinen Job zu verlieren. So gering war dieser Wert seit 1992 noch nie. Auch die Sorge vor steigenden Lebenshaltungskosten, noch 2010 ein angstbesetztes Top-Thema, fiel auf 49 Prozent zurück. Und liegt damit gleichauf mit den Sorgen um den Klimawandel. Die einzige große private Sorge landet abgeschlagen auf dem letzten Platz der Ängste-Top Ten: Es ist die Angst davor, im Alter ein Pflegefall zu werden. Davor fürchtet sich die Hälfte aller Befragten (52 Prozent).

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