TV-Runde Letzter Schlagabtausch im Schlussspurt des Wahlkampfs

Berlin · Auf dem Höhepunkt des Wahlkampfes treten die sieben Spitzenkandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien gegeneinander an. Große Themenfelder werden abgearbeitet, von Sicherheit über Corona bis zur Außenpolitik. Doch besonders interessant wird es beim Binnenklima zwischen den Aspiranten.

 Alice Weidel (l-r), Christian Lindner, Markus Söder, Armin Laschet, Annalena Baerbock, Olaf Scholz und Janine Wissler.

Alice Weidel (l-r), Christian Lindner, Markus Söder, Armin Laschet, Annalena Baerbock, Olaf Scholz und Janine Wissler.

Foto: AP/Tobias Schwarz

Es geht ums Klima. Doch in diesem Fall kann man seinen Zustand nicht am ansteigenden Meerespegel oder an abschmelzenden Polkappen beobachten, sondern in einem blauen Fernsehstudio. Zwischen wem funkt es? Zwischen wem ist das Verhältnis unterkühlt? Im Halbrund sitzen an diesem Donnerstagabend die sieben Spitzenwahlkämpfer aller im Bundestag vertretenen Parteien – Annalena Baerbock (Grüne), Armin Laschet (CDU), Christian Lindner (FDP), Olaf Scholz (SPD), Markus Söder (CSU), Alice Weidel (AfD) und Janine Wissler (Linke). Drei Tage vor der Bundestagswahl treten sie in dieser Schlussrunde gegeneinander an. Die Moderatoren Tina Hassel (ARD) und Theo Koll (ZDF) durchpflügen in den 90 Minuten große Themenfelder von Sicherheit bis Corona, von sozialem Wohnungsbau bis Außenpolitik. Der Kampf gegen die Klimakrise kommt erst am Ende des Schlagabtauschs zur Sprache – doch schon von Beginn an geht es heiß her.

Armin Laschet markiert gleich zu Beginn eine harte Linie. Es geht um den tödlichen Schuss von Idar-Oberstein, wo ein Maskenverweigerer einen jungen Tankstellenverkäufer erschossen. Laschet kommt direkt auf die Radikalisierung im Netz zu sprechen – aus seiner Sicht die Wurzel allen Übels. „Immer aggressiver, immer lauter“ werde der Ton. „Und irgendwann ist einer da und vollendet diese Tat“, sagt Laschet. Man müsse den Hass schon im Ansatz ersticken, Hass-Posts im Netz nicht nur löschen, sondern auch strafrechtlich verfolgen – so werde es auch in seinem Bundesland Nordrhein-Westfalen praktiziert.

Scholz schmunzelt und antwortet in staatsmännischer Manier, wie man es von ihm in diesem Wahlkampf schon gewohnt ist. Von Laschets Regierungshandeln in NRW lässt er sich nicht beeindrucken, kehrt stattdessen die eigene Erfahrung auf Bundesebene heraus. Man habe „eine ganze Reihe an Gesetzen“ beschlossen. Scholz nutzt die erstbeste Gelegenheit, um einen Haken gegen die Union zu setzen, mit der das Wehrhafte-Demokratie-Gesetz nicht zu machen gewesen sei. Es klingt nicht so, als wolle Scholz es nach der Wahl mit der Union aufs Neue versuchen.

Unterschiede bei den kleineren Parteien sind deutlicher

Doch deutlich größer sind die Differenzen zu den Parteien, die im Halbrund außen sitzen: Linkspartei und AfD. Die Linke will den Verfassungsschutz abschaffen, denn der sei „Teil des Problems, nicht Teil der Lösung“, sagt Wissler unter Verweis auf die Lehren aus dem NSU-Komplex. Söder hält dagegen: „Ohne Verfassungsschutz wird es nicht gehen.“ Härter fällt die Abgrenzung zur AfD aus. Denn gerade hatte Weidel die Querdenker-Bewegung verteidigt, der sich Rechtsextreme angeschlossen haben. Sie halte nicht von der „Stigmatisierung“ dieser Protestbewegung, sagt die AfD-Spitzenfrau. An Wissler und Weidel gerichtet sagt Söder, es brauche eine klare Linie und eine klare Kante „gegen solche Querdenker“.

Auch bei der Frage nach sozialem Wohnungsbau werden die Differenzen greifbar. Laschet setzt auf „Bauen bauen bauen“, um mehr Sozialwohnungen zu schaffen, und erteilt der rot-rot-grünen Wohnungspolitik in Berlin eine klare Absage. Wie groß der Graben zwischen Union und Linker ist, wird auch hier deutlich: „’Bauen, bauen, bauen’ ist nicht die Antwort“, sagt Wissler. Interessanter wird es, als Baerbock ausgerechnet in sozialen Fragen gegen die SPD wettert. „Ich frage mich, wo die Sozialdemokratie war, als man sie eigentlich brauchte“, sagt Baerbock mit Blick auf die Wohnungspolitik und die Auflösung der Sozialbindung vieler Wohnungen.

Außenpolitik war dieses Mal ein Schwerpunkt

Ein Thema, das vielen Menschen in den vorangegangenen TV-Triell mit Baerbock, Laschet und Scholz zu kurz gekommen war, ist die Außenpolitik. Zumal sie Sprengstoff zwischen den Parteien birgt. Da ist die Linke, die nach den Worten von Wissler die Nato für „völlig überkommen“ hält und am liebsten abschaffen will. Keine andere Partei im Bundestag will das, auch wenn alle Reformbedarf bei dem westlichen Militärbündnis sehen. Zu einer roten Linie zwischen Linken und SPD, so scheint es an diesem Abend, taugt diese Frage aber nicht. Laschet und Scholz wollen ein starkes Europa, das mit einer Stimme sprechen soll - und Söder reitet die Attacke gegen Baerbock allein. Er wirft ihr und den Grünen eine unreife Einstellung zur Welt vor. Ein gutes transatlantisches Verhältnis betonen aber vor allem Union, FDP, SPD und Grüne.

Bei der Frage nach Regierungsoptionen überrascht es wenig, dass sowohl Scholz als auch Laschet auf den eigenen Wahlsieg setzen, um die künftige Regierung bilden zu können. Zu Linken und AfD markiert Laschet eine klare Abgrenzung. Lindner und Söder liebäugeln dagegen beide mit einem Jamaika-Bündnis aus Union, Grünen und FDP - auch wenn Lindner der Union attestiert, ihre „innere Mitte“ nicht gefunden haben. Und Baerbock kommt am Ende wieder auf das Klima zu sprechen. Eine Regierung ohne Grüne an der Spitze sei wie „Klima ohne Schutz“. Doch um dieses Ziel zu verwirklichen, dürften die verbleibenden drei Tage bis zur Wahl zu knapp sein.

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