U-Ausschuss: Amri-Abschiebung scheiterte an Rechtshürden

Berlin · Obwohl der kriminelle und als gefährlich geltende Tunesier Amri kein Asylrecht hatte, wurde Deutschland ihn 2016 vor dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt nicht los. Großzügige Gesetze und der Widerstand von Amris Heimatland spielten eine wichtige Rolle.

 Menschen stehen an der Gedenkstätte für die Opfer des Terroranschlags.

Menschen stehen an der Gedenkstätte für die Opfer des Terroranschlags.

Foto: B. v. Jutrczenka/Archiv

Die Abschiebung des späteren islamistischen Attentäters Anis Amri im Jahr 2016 ist nach Darstellung der Behörden in Nordrhein-Westfalen an den zahlreichen Vorschriften in Deutschland und dem Widerstand Tunesiens gescheitert. Der damalige Leiter der Abteilung für Flüchtlinge im NRW-Innenministerium schilderte am Freitag im Berliner Untersuchungsausschuss zum Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt die Hürden.

So seien die falschen Identitäten Amris allein nicht strafbar gewesen, sagte Burkhard Schnieder. Auch sonst habe man damals strafrechtlich wenig in der Hand gehabt, daher habe man Amri im Rahmen des Asylverfahrens abschieben wollen. Amris Heimatland Tunesien habe dann die bereits bekannte Weigerungs- und Verzögerungshaltung eingenommen und dessen Identität bestritten.

"Tunesien ist ein ganz schwieriges Land bei der Rücknahme von Gefährdern und Straftätern", betonte Schnieder. Aus dem Land kämen ausgesprochen viele Islamisten und Terroristen und Tunesien setze alles daran, dass diese nicht wieder zurückkehren könnten. So verlangt es als einziger Staat neben Fingerabdrücken auch Handflächenabdrücke zur Klärung der Identität. Diese Abdrücke zu beschaffen, habe im Fall Amri länger gedauert, räumte Schnieder ein.

Wegen der zu erwartenden langen Wartezeiten war laut Schnieder auch eine Abschiebehaft nicht möglich und juristisch nicht durchsetzbar, obwohl die Behörden das damals im Sommer und Herbst 2016 geprüft hätten. Das Fazit sei aber gewesen: "Es ist aussichtslos im Moment, einen Abschiebungshaftantrag zu stellen." Abzuschiebende Ausländer dürfen normalerweise nicht länger als unbedingt nötig festgehalten werden. Für gefährliche Ausländer hat der Bund inzwischen die entsprechenden Vorschriften geändert.

Als weiteres Beispiel für die Problematik nannte Schnieder den Fall eines Tunesiers, der Leibwächter von Osama Bin Laden war und weiterhin in NRW lebt, weil die Abschiebung in sein Heimatland nicht gelinge. Eine andere Mitarbeiterin der NRW-Ausländerbehörden bestätigte im Ausschuss die großen Probleme mit Tunesien. Eine Abschiebung in weniger als sechs Monaten sei nie vorgekommen, meist habe es ein Jahr oder länger gedauert.

Schnieder hatte sich bereits in NRW in einer Sondersitzung des dortigen Innenausschusses im Januar 2017 und im dortigen Untersuchungsausschuss im März 2017 ähnlich geäußert. Nordrhein-Westfalen war damals federführend für Amri zuständig, weil er dort offiziell gemeldet war.

Der Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses soll ebenso wie der in NRW aufklären, welche Pannen Polizei und Behörden beim Umgang mit Amri unterlaufen sind. Bei dem Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche am 19. Dezember 2016 starben zwölf Menschen, etwa 70 wurden verletzt.

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