Jahresbericht zu Datenschutz Ulrich Kelber: „Grundrechte nicht gegeneinander ausspielen“

Berlin · Der Bundesdatenschützer Ulrich Kelber hat den Jahresbericht zu Datenschutz und Informationsfreiheit vorgestellt. Er warnt vor hastiger Gesetzgebung und spricht über Eingriffe in Freiheitsrechte von Bürgern.

 Ulrich Kelber (SPD), der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), stellt in der Bundespressekonferenz seinen Tätigkeitsbericht vor.

Ulrich Kelber (SPD), der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), stellt in der Bundespressekonferenz seinen Tätigkeitsbericht vor.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Datenschutz und Informationsfreiheit nehmen Ulrich Kelber und die Mitarbeiter seiner Behörde wahlweise „ernst, sehr ernst, absolut ernst und manchmal vielleicht zu ernst“. Eine durch und durch ernste Angelegenheit in dieser vernetzten und digitalisierten Welt – erst recht in Zeiten von Corona und dem Eingriff vieler Staaten in Grund- und Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit mit Sitz in Bonn ist an diesem Mittwoch in Berlin angetreten, um „erstmalig und letztmalig“ zwei Jahresberichte vorzulegen, die ab dem kommenden Jahr zu einem Gesamtwerk über Datenschutz und Informationsfreiheit gebündelt werden sollen. In Zeiten der Corona-Pandemie stellt Kelber eine Sache gleich voran: „Es gibt keinen Grund dafür, zu versuchen, das Grundrecht zum Schutz der Gesundheit und das Grundrecht zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung gegeneinander auszuspielen.“ Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete betont denn auch, dass die aktuellen Eingriffe des Staates „erforderliche, aber auch massive Grundrechtseinschränkungen“ bedeuteten. Datenschützer aufgepasst!

Datenschutz stehe dem Gesundheitsschutz nicht im Weg

Seit einem Tag ist nun die Corona-Warn-App des Bundes in Betrieb. Kelber hat sie mit „ausreichend“ bewertet, stellt auf Nachfrage aber klar, dass er damit keinesfalls eine Schulnote habe vergeben wollen. Denn es gebe in diesem Fall für seine Behörde nur zwei Kategorien: „ausreichend“ und „nicht ausreichend“. Die Corona-Warn-App zur Eindämmung der Pandemie liefert aus Sicht des obersten Datenschützers in Deutschland auch einen Beleg: „Nein, der Datenschutz steht dem Gesundheitsschutz nicht im Weg.“ Der SPD-Politiker sieht aktuell auch keine Notwendigkeit für ein Begleitgesetz, damit der Bund seine Corona-Warn-App rechtssicher betreiben kann. Dazu reicht auch in diesem Fall das Attribut „ausreichend“. „Ich sehe die Einwilligungslösung als ausreichend an, wenn man keine gesetzliche Grundlage schaffen will.“

Kelber warnt vor zu viel Tempo bei manchen Gesetzen. So habe allein das Bundesgesundheitsministerium „im Berichtsjahr 23 Gesetze in den Bundestag eingebracht“. Bei einigen Vorhaben sei seine Behörde  mit nur wenig Vorlauf vor der Befassung im Bundestag beteiligt worden. Kelber will sich damit nicht abfinden: „Ich würde mir wünschen, dass der Gesetzgeber sich insbesondere bei großen Projekten mit enormen Einfluss auf unsere Gesellschaft die Zeit für intensive Beratung nimmt.“

Kelber verwies bei der Vorlage seines Tätigkeitsberichtes auch auf die neuen Durchgriffs- und Aufsichtsmöglichkeiten seines Hauses, die durch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) deutlich gestärkt worden seien. So könne der Bundesbeauftragte für den Datenschutz gegen Unternehmen inzwischen auch „Geldbußen aussprechen, auch empfindliche Geldbußen“, wenn diese beispielsweise mit Kundendaten allzu sorglos umgingen. So habe seine Behörde gegen den Telefonanbieter 1&1 eine Geldbuße von 9,5 Millionen Euro verhängt, weil das Unternehmen es wegen mangelnder technischer Sicherheitsvorkehrungen nicht verhindert hatte, dass Dritte Kundendaten bei dem Unternehmen erfragen konnten. Konkret sei es dabei um einen „Stalking-Fall“ gegangen, bei dem ein Mann die neue Telefonnummer seiner früheren Ehefrau bei 1&1 erfragen konnte. Einziges Sicherheitsfeature bei der telefonischen Kundenberatung des Unternehmens sei das Geburtsdatum der Kundin gewesen, was der Mann als einstiger Ehemann natürlich gewusst habe.

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